Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
Vom Netzwerk:
weitere Aufklärungen zuteil werden sollten.
    Da nun alle meine Bedenken zerstreut waren, brachen wir auf. Der Kanalrat zahlte der Kellnerin mit einer Münze, die er vorher scherzhaft mit den Fingern rechtwinkelig abbog. Dann traten wir in die Nacht, auf die menschenleere Straße hinaus, wo er sich alsbald anschickte, mich mit fröhlicher Unrast vor sich herzustupsen, wobei er mitunter auf einem Bein hüpfte oder sich kichernd die Hände rieb, schrille, krause Melodien vor sich hinsummte, ja manchmal sogar einige Tanzschritte versuchte, was sich merkwürdig und kindisch ausnahm. Sein Treiben wurde mir bald ganz unleidlich, da er mich in seiner ausgelassenen Tollheit immer wieder so heftig stieß, daß ich mehr als einmal das Gleichgewicht verlor und öfters beinahe gestürzt wäre. Ich hielt es fast für klüger, entweder aus diesem unglaublichen Traum zu erwachen oder den Kanalrat kurzerhand zu verlassen – es hätte mich ja ein spät heimkehrender Freund in solcher Begleitung sehen können – und eine derartige Begegnung wäre mir überaus peinlich gewesen. Andererseits war ich aber sehr begierig, in die geheime Gesellschaft eingeführt zu werden und ihre merkwürdigen Gebräuche kennenzulernen.
    »Wieso besitzen Sie eigentlich«, begann ich also, um meinen Begleiter von seinen absonderlichen Kapriolen abzulenken, »wenn ich mir diese Frage erlauben darf, eine gespaltene Zunge? Um mich nur nach einer Ihrer – hmm – körperlichen Besonderheiten zu erkundigen.«
    Ich dachte, daß ihn eine solche Unhöflichkeit von seinem peinlichen Gehaben abbringen würde und hatte mich auch nicht getäuscht.
    Der Kanalrat stand auf einmal stockstill. Er war mir einige Schritte vorausgeeilt, kehrte nun um und kam mit solch drohendem Gesichtsausdruck auf mich zugeschlichen, daß mir beinahe in plötzlicher Angst die Haare zu Berge gestiegen wären, aber er faßte sich wieder, während seine wütend gebleckten Zähne unter den Lippen verschwanden, die sich zu einem Lächeln verzogen.
    »Und wieso«, murmelte er, während er das Objekt unserer Unterhaltung mehrmals zentimeterweit aus seinem Mund schnellte, »und wieso kommt es, daß Ihre Zunge, mein Herr, nur eine Spitze aufweist?«
    Dies war nun eine Gegenfrage, auf die ich keine Antwort wußte. Ich war froh, daß wir mittlerweile bei unserem Ziel, der Litfaßsäule angelangt waren.
    Der Kanalrat öffnete nun so schnell, daß ich seiner Bewegung mit den Augen gar nicht folgen konnte, in der Fläche der mit bunten Plakaten beklebten Säule eine Tür, welche so glatt gefügt war, daß man sie nicht wahrnehmen konnte. Wohl aber bemerkte ich bei genauerem Hinsehen, daß das Papier eines Reklamebildes ein Loch aufwies, das einem in der Säule Stehenden gestattete, hinauszublicken.
    Als ich mich nun anschickte, dem Kanalrat zu folgen, wies er mich mit einer Handbewegung zurück.
    »Nein«, schüttelte er abwehrend den Kopf, »nein, wir müssen das Zeremoniell befolgen, ich bin das nun einmal so gewohnt. Ich schließe mich jetzt hier ein, Sie begeben sich wieder an die Straßenecke, kommen dann auf die Litfaßsäule zu und gehen daran vorbei, als würden Sie von nichts wissen. Ich werde dann die Tür öffnen und Sie«, er bleckte auf eine äußerst unangenehme Weise seine spitzen Zähne, »formell einladen, einzutreten.«
    Ich erklärte mich, wenn auch erstaunt, einverstanden und befolgte seine Anweisungen genau. Als ich die geheime Tür fast passiert hatte und schon die Vermutung hegte, der Kanalrat hätte sich mit mir einen Scherz erlaubt, flog plötzlich die Klappe auf, zwei stahlharte Hände legten sich um meinen Hals und rissen mich in das Innere der Litfaßsäule. Bevor ich noch einen Gedanken fassen konnte, hatte er mich gegen die Wand geschleudert und mit blitzschnellen Handgriffen, die langjährige Übung verrieten, mit Ketten an ein eisernes Gestell gefesselt. Der Kanalrat drehte nun an einer Kurbel, die das Gestell, welches wie ein X geformt war, um die Achse in Bewegung setzte. Meine Füße wanderten nach oben, und ich hing mit dem Kopf nach unten. Meine Haare schleiften am Boden in einer klebrigen, halberstarrten Flüssigkeit. Die Augen quollen mir aus den Höhlen, als ich merkte, daß es geronnenes Blut war, das im dunklen Rinnsal zu einer kreisrunden Öffnung im Boden sickerte, in welcher man noch die oberste Sprosse einer rostigen Eiserdeiter erkennen konnte, die hinunter in den Schacht führte, aus dem der faulige Qualm der Kanäle stieg. Die Szene war erhellt durch

Weitere Kostenlose Bücher