Science Fiction Jahrbuch 1983
ich weiß es, ich weiß es. Ich hab’s denen gesacht, klar doch. Mich bringt da nichts auf die Straßen inner Nacht, ne, ne, oje. Die finden keine Leichen, ne, ne.“ Dazu nickte sie und schaute sehr weise aus ihren runzeligen Augen. „Die ham ihn, na klar doch, die ham den guten alten Chollie. Ich sachte’s doch, aber die wollten ja nich hören. Die ham ihn geholt.“
„Wer?“ fragte die Blonde.
Gumbo Granny schaute sich vorsichtig um, als wollte sie sichergehen, daß niemand aus den Schatten neben der Treppe sie belauschte, dann beugte sie sich ihnen in ihrem Schaukelstuhl entgegen und flüsterte: „Die Nadelmänner ham ihn.“ Sie nickte zufrieden und lehnte sich wieder in ihrem Stuhl zurück, zog an ihrer Pfeife und schaukelte weiter. Der Stuhl schaukelte und quietschte, schaukelte und quietschte. Draußen hatte es die Polizei endlich geschafft, den Tränenfluß von Mrs. Monroe zu stoppen, sie diskutierten nun in einem ruhigen Ton. Die Schaulustigen auf dem Bürgersteig begannen sich auf der Suche nach anderen, interessanteren Ablenkungen zu zerstreuen. Es war klar, daß hier nichts mehr passieren konnte.
„Die Nadelmänner“, sagte Jerry trotz seiner schlechten Erfahrungen. Vielleicht würde er seine Neugier bereuen, aber trotzdem hörte er sich fragen: „Wer sind diese Nadelmänner?“
Gumbo Granny grinste geheimnisvoll. „Unten in New Orleans war’n sie auch, ehrlich. Sin’ sehr geschickt, die Nadelmänner, aber ich kannte ihre Tricks, und mich hat keiner in der Nacht nie nich auf der Straße getroffen! Die sin’ immer irgendwo draußen in der Nacht und warten. Und Nadeln ham die, riesig laaaaange Nadeln, so lang wie ihr Arm, und scharf und spitz sind die, mit Gift dran, ja, ehrlich, Gift. Die springen dich an, ja, das tun sie, und stechen dich mit ihren Nadeln, und dann hat’s dich erwischt, oje, und keiner wird dich noch mal sehen. Es gibt keine Leichen, wenn die Nadelmänner einen geholt haben.“ Sie gackerte wie ein Huhn.
Die Blondine von 2-West lächelte. „Ein schrecklicher Gedanke“, sagte sie trocken.
„Nadelmänner“, äffte Jerry. „Die ist total verrückt.“
Gumbo Granny schaukelte weiter, als hätte sie ihn nicht gehört. Die Blonde und er tauschten ein mitleidiges Lächeln von der Art ‚Der-armen-Alten-ist-ja-nicht-zu-helfen’ aus. „Warum sollten diese Nadelmänner Mrs. Monroes Jungen stechen?“ fragte die Blonde. „Sind sie Geister?“
„Du lieber Himmel, nein. Nein, nein, nein, nein. Wissen Sie denn überhaupt nichts?“ Die alte Frau schaukelte und gluckste. „Sie sin’ so jung, wissen von nichts, gar nichts. Ich hab’s gesacht, aber die wollten ja nich hören. Die Nadelmänner sin’ keine Räuber! Die kommen vonner Wohlfahrt.“
„Wohlfahrt?“
„Na klar, von den Krankenhäusern. Wohlfahrtskrankenhäuser. Körper sind’s, die sie brauchen, Körper, für die Studenten zum Rumschnibbeln, und deswegen schleichen die draußen mit ihren laaaaaangen Nadeln, mit Gift an der Spitze, rum und stechen die Schwarzen und bringen sie weg. Keiner vermißt ’n paar arme Schwarze, ne, ne. Ich hab sie geseh’n, wie sie sich in den Büschen verstecken, innen Hinterhof’n verstecken, aber mich ham die nich gekriecht. Mein Vater hat’s mir beigebracht, echt, und ich kenn’ sie, ja, wirklich, das tu ich. Chollie wollte nich zuhör’n, aber ich hab’s ihm gesacht. Ich weiß alles. Weiß alles von unten aus New Orleans, als ich noch’n ganz kleines Mädchen war. Wußte, wie man sich schützt. Kenn’ auch die hier, ehrlich. Werden mich altes Stück aber nich kriegen mit ihren Nadeln, um mich wegzubringen un’ Doktor zu spielen und an mir rumzuschnibbeln.“ Sie versank wieder in sich und schaukelte und rauchte weiter. Draußen fragte der fette Polizist Mrs. Monroe aus und kritzelte auf einem Formular
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