Science Fiction Jahrbuch 1983
Chollie Monroe hatten nichts miteinander zu tun, das war klar.
Trotzdem hatte Jerry ein schlechtes Gefühl. Schließlich war es tatsächlich Freitagnacht gewesen. Er runzelte die Stirn, trank noch ein Budweiser und ging dann zu Bett.
Mehr als eine Stunde lang warf er sich unruhig hin und her, während sein Wasserbett blubberte. Schließlich fiel er in leichten Schlaf. Als er wieder aufwachte, war es mitten in der Nacht, und die Wohnung war dunkel und totenstill. Eine kalte Brise kam durch das offene Fenster, und die sich bewegenden Gardinen warfen lange Schatten auf das Bett. Müde rappelte sich Jerry hoch und ging zum Fenster, um es zu schließen, und da war er: Ein Mann in Sportjacke mit Lederflicken an den Ellbogen stand draußen vor dem Fenster. Er hatte ein totenbleiches Gesicht und lächelte ein schrecklich dünnes Lächeln. Und während Jerry ihn anstarrte, kam sein Arm durch das offene Fenster. Er hielt eine lange Nadel.
Jerry schrie auf und warf sich zur Seite. Plötzlich lag er, in seine Betttücher verwickelt, auf dem Fußboden, und Harold stand in seinen kurzen Pyjamahosen im Türrahmen und fragte: „He, ist mit dir alles okay?“
„Er kommt durch das Fenster“, sagte Jerry, atemlos auf dem Boden liegend.
Harold sah auf das Fenster, dessen Gardinen sich leicht im Windzug bewegten. „Du Blödmann“, entgegnete er, „wir sind im dritten Stock.“
Am nächsten Morgen, als man sich zum Frühstück traf, hatten alle einen Riesenspaß wegen Jerrys Alptraum. Alle außer Jerry natürlich. Er schaute sie nur finster an und trank seinen Kaffee, um danach zum Postamt zu gehen und sein Postfach auszuräumen. In dieser Gegend mußte man einfach ein Postfach haben, denn nicht selten wurde dem Postboten die Tasche geklaut.
Er ging die Vordertreppe hinunter, obwohl er darauf gefaßt sein mußte, von Gumbo Granny noch mehr unglaubliche Geschichten über verrückte Nadelmänner hören zu müssen. Glücklicherweise war sie nicht da; ihr Schaukelstuhl war da, aber sie saß nicht drin. Jerry dankte seinem Schöpfer und ging weiter.
Als er in einem Kaffeehaus auf der Lawrence in einer Nische saß, seine Post durchsah und auf ein Käseomelette wartete, fiel ihm plötzlich auf, wie seltsam das alles war. Solange er in dem Gebäude wohnte, hatte er nie Gumbo Grannys Schaukelstuhl ohne Gumbo Granny gesehen. Am Morgen brachte sie ihn mit heraus, abends nahm sie ihn wieder mit hinein. Dazwischen waren immer beide da und schaukelten. Immer. Ein Schauer durchlief ihn.
„Nein“, sagte er laut.
„Wie meinen Sie das? Nein “, fragte die Kellnerin. Sie stand vor ihm mit einem Käseomelette in der Hand. „Das haben Sie doch bestellt, mein Herr !“
„Oh ja, natürlich“, sagte Jerry überrascht. „Ich hatte nicht Sie gemeint!“
Die Kellnerin musterte ihn scharf, stellte seine Bestellung auf den Tisch und ging wieder.
„Nein“, wiederholte Jerry, während er die Gabel aufnahm.
Aber als er an diesem Abend zur Wohnung zurückkehrte, war der Schaukelstuhl noch immer da. Leer. Jerry ignorierte ihn.
Am nächsten Tag kam und ging er über die Hintertreppe. Er versuchte nicht an den Schaukelstuhl, Gumbo Granny, Nadelmänner oder so etwas zu denken. Er hielt sich den ganzen Tag über in der Loop auf, und nach Einbruch der Dämmerung ging er noch etwas trinken, aber es hatte keinen Zweck. Er konnte sich nicht einmal auf die Frauen um ihn herum konzentrieren. Er starrte weiter in sein Bier und sah diesen leeren Schaukelstuhl.
Als er gegen Mitternacht durch die Seitenstraße kam, sah er etwas noch Seltsameres. Im Dunkeln, seinem Haus gegenüber, war ein alter, verbeulter Javelin geparkt. Halb betrunken, wie er war, machte ihn das stutzig. Er war leer. Jerry sah sich schnell um. Als er niemanden sah,
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