Science Fiction Jahrbuch 1983
herum.
„Ich wette, er kommt wieder“, sagte Jerry und warf einen Blick durch die Tür. „Vielleicht hat er eine Schlägerei gehabt oder so etwas, aber eigentlich war Chollie ein guter Junge.“
Die Blondine zuckte die Achseln.
„Ach übrigens, ich heiße Jerry McCulloch“, sagte er lächelnd. „Ich bin Schriftsteller. Wohne in 3-West.“
„Hi“, sagte sie, sein Lächeln erwidernd. Sie war schrecklich hübsch. Er liebte ihr Haar. „Ich bin Kris. Kris Shelby.“
„Sie wohnen genau unter uns, nicht wahr? Mit einigen anderen Mädchen?“
Sie nickte. „Es ist ein weiter Weg zur Uni, aber die Miete ist niedrig genug, um die Hochbahnfahrten auszugleichen, und die Wohnung ist größer als andere, die wir in der Nähe der Uni bekommen hätten. Das Schulgeld ist heutzutage so hoch, da muß man schon einiges unternehmen, um sich über Wasser zu halten.“ Sie rümpfte die Nase. „Wie zum Beispiel hier zu wohnen.“
Jerry nickte ihr beipflichtend zu.
„Was schreiben Sie denn?“ fragte Kris. Er bemerkte, daß sie schöne grüne Augen hatte. Sehr kühl und wachsam.
„Alles, wofür man mich bezahlt“, sagte Jerry bescheiden. „Ich habe einmal für das Tribune Magazine über die verlassenen Kohlentunnel unter der Loop geschrieben. Es gibt dort eine Unmenge von seit Jahren nicht mehr benutzten Gängen, die die ganze Gegend unterhöhlen. Vielleicht haben Sie ihn gelesen?“ Kris schüttelte den Kopf. „Na ja, ist ja auch nicht so wichtig. Aber ich lebe so von der Hand in den Mund. Momentan arbeite ich an einem Ding, von dem ich hoffe, es an den Reader verkaufen zu können. Wer weiß?“ Er zuckte die Achseln. „Und was machen Sie so?“
„Was ich mache?“ fragte Kris säuselnd. Sie lächelte.
Jerry stammelte und unterdrückte den Wunsch, sie über ihre Heimatstadt oder ihr Hauptfach zu fragen. Das wäre die Art von Small Talk gewesen, die ihn selbst auf der Rush Street immer angewidert hatte. Er beschloß, nicht zu dick aufzutragen. Er sah auf die Uhr. „Oh, ich muß gehen“, sagte er. „War nett, Sie zu treffen. Nun, wenn es über Ihnen zu laut sein sollte, wissen Sie ja, bei wem Sie klingeln müssen.“
Sie nickte. „Bis dann mal“, sagte sie, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtend.
Jerry begann die Treppen hinaufzugehen. Auf dem ersten Treppenabsatz drehte er sich um und rief zu ihr hinunter: „He, Kris.“ Als sie sich zu ihm umdrehte, sagte er: „Passen sie auf die Nadelmänner auf!“ Sie lächelte und nickte zustimmend, und Jerry fühlte sich großartig, als er die Treppen zum dritten Stockwerk geschafft hatte. Harold und seine neuste Flamme waren im Wohnzimmer, hörten Musik und machten auf der Couch rum. Alan war in seinem eigenen Zimmer und sah sich eine alte Schnulze in der Glotze an. „Wie war das Restaurant?“ rief er aus dem Zimmer, als Jerry vorbeilief.
„Nicht schlecht“, sagte Jerry und lehnte sich in den Türrahmen. „Ich habe die Blondine von unten getroffen. Sie heißt Kris.“
„Sehr hübsch“, sagte Alan.
„Richtig“, meinte Jerry grinsend. Er ging zurück zur Küche, um sich ein Bier zu holen. Das Licht im Kühlschrank war kaputt, und er hatte vergessen, das Küchenlicht anzumachen. Dummerweise mußte er nun im Dunklen am Kühlschrank herumfummeln. Schließlich fand er ein Budweiser.
Er zog den Verschluß ab und hob gerade die Dose an die Lippen, als ein Wagen unten durch die Seitenstraße fuhr. Jerry sah nur, wie die Lichtkegel der Scheinwerfer über die gegenüberliegende Häuserwand wischten, eine trübe sich bewegende Reflexion.
In diesem Moment erinnerte er sich endlich an den Kerl mit der Nadel.
Er hatte eine schlaflose Nacht. Es war alles so verrückt. Der Junkie in der Sportjacke mit den Lederflicken an den Ellbogen, die Nadelmänner von Gumbo Granny und
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