Science Fiction Jahrbuch 1983
gerade dabei, den Kofferraumdeckel seines ramponierten alten schwarzen Javelins zu schließen, als Jerry um die Ecke kam und auf die baufällige hölzerne Feuerleiter an der Rückseite seines Hauses zuging. Jerry konnte ihn nicht sehr gut ausmachen und versuchte es auch gar nicht. Nur ein weißer Typ, jugendlich, mit einem kleinen dunklen Schnäuzer, der eine dieser Sportjacken mit Leder flicken an den Ellbogen trug. Er und Jerry tauschten einen flüchtigen Blick, wie es zwei Fremde tun, wenn sie sich in einer Seitenstraße in Uptown treffen, dann ging der Typ um das Auto herum zur Fahrerseite. Während er dies tat, ließ er etwas in seine Jackentasche gleiten, und Jerry erkannte in diesem kurzen Augenblick den Gegenstand: eine Injektionsnadel. Er dachte sich nichts dabei. Die Nachbarschaft war voller Junkies.
Als er schwerfällig die Stufen zur Hintertür der Wohnung im dritten Stockwerk hochstieg, hörte er, wie der Wagen aufheulte und unter ihm wendete. Die Scheinwerfer gingen an und erleuchteten die Seitenstraße für einige Momente. Jerry war dafür dankbar, weil er Schwierigkeiten beim Finden des Schlüsselloches hatte. Das Licht half. „Ah- ha “, sagte er, als er es fand und aufschloß. Der Javelin war schon weg, als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel.
Jerry dachte nicht mehr an diesen Zwischenfall, bis an besagtem Abend die Bullen bei ihm auftauchten.
Es dämmerte schon, als er nach dem Essen in einem siamesischen Restaurant im Süden von Lawrence zurückkehrte, und er war froh über die Kühle des Abends. Wenn er von Süden kam, lief er immer auf das Hauptportal des Hauses zu, und daher sah er den Tumult schon lange bevor er ankam. Ein Streifenwagen stand genau vor der Eingangstür, die Menge hatte sich um die Stufen herum aufgestellt, und zwei Bullen versuchten eine aufgeregte Dame zu beruhigen. Als er näher kam, bemerkte er, daß es sich bei der aufgeregten Dame um Mrs. Monroe handelte, die schwarze Frau, die mit einer Armee von Kindern in 2-Ost wohnte.
Jerry drückte sich durch die Menge und ging die Treppen hoch. Mrs. Monroe weinte und versuchte etwas zu sagen, aber es kam nichts Verständliches dabei heraus. Einer der Bullen, ein fetter Kerl mit rotem Gesicht, starrte den näherkommenden Jerry böse an. „He“, blaffte er.
„Ich wohne hier“, sagte Jerry. „Was ist los?“
„Das geht Sie überhaupt nichts an“, sagte der bierbäuchige Bulle. „Ihr Kind ist abgehauen, das ist alles. Nun gehen Sie weiter, wenn sie reingehen wollen. Wir machen das schon.“
Jerry zuckte die Achseln, sah neugierig zu der schluchzenden Mrs.
Monroe und ging dann durch die geöffnete Haustür. Wie bei allen anderen Sechs-Parteien-Häusern im Block, gab es auch hier eine gekachelte Eingangshalle mit den Briefkästen und Klingeln an der Wand. Eine zweite Tür trennte die Halle von den Treppen im Haus. Hier brauchte man nun einen Schlüssel oder das Öffnungszeichen von oben, um durch die Tür zu kommen. Zwischen diesen beiden Türen standen einige seiner Nachbarn und beobachteten das Geschehen. Die Gumbo Granny saß in ihrem Schaukelstuhl. Sie und ihr alter Korbstuhl mit dem verblichenen Blumenmusterkissen kamen jeden Morgen aus 1-Ost gekrochen. Dann blieb sie dort bis zum Abend, schaukelte und beobachtete die Straße, schaukelte und rauchte ihre Pfeife, schaukelte und führte zusammenhanglose Gespräche mit jedem, der das Gebäude betrat oder verließ. Jerry nickte, aber er hütete sich, ein Gespräch mit ihr zu beginnen.
Aber das Mädchen aus 2-West stand ebenfalls dort, und das war eine ganz andere Sache. Sie war klein, attraktiv und blond. So um die 25. Sie war erst vor einem Monat zusammen mit einigen Freundinnen eingezogen. Er hatte die
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