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Science Fiction Jahrbuch 1983

Science Fiction Jahrbuch 1983

Titel: Science Fiction Jahrbuch 1983 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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schnapp­te et­was ein, und sie be­fan­den sich in den Kral­len des Su­per­man-Syn­droms.
    Nor­ma­ler­wei­se fing al­les harm­los an. Das Op­fer kauf­te sich lan­ge Baum­woll­un­ter­wä­sche, färb­te sie blau ein und näh­te ein ro­tes „S“ auf das Hemd. Die­se Kluft trug es ge­le­gent­lich, be­son­ders in Streß-Zei­ten, un­ter der Stra­ßen­klei­dung.
    Doch wenn der ers­te fa­ta­le Schritt erst ein­mal ge­tan war, dann war das Su­per­man-Syn­drom un­ver­meid­bar. Das Op­fer ging bald da­zu über, das Ko­stüm im­mer zu tra­gen. Frü­her oder spä­ter wur­den Streß und Här­ten der Rea­li­tät un­trag­bar, dann folg­te ei­ne Nach­ah­mungs­pha­se. Wäh­rend die­ser Pha­se färb­te das Op­fer sein Haar su­per­man-stahl­blau, kauf­te sich einen An­zug mit dop­pel­ten Auf­schlä­gen, trug ei­ne Bril­le mit Stahl­ge­stell, ver­gaß, wer es war, und er­wach­te schließ­lich ei­nes Mor­gens mit al­len Er­in­ne­run­gen aus den Co­mics. Er war Clark Kent, und er muß­te nach Me­tro­po­lis zu­rück!
    Es war schon schlimm ge­nug, daß Tau­sen­de von Ir­ren frei her­um­lie­fen und sich für Clark Kent hiel­ten. Das Ent­setz­li­che war, daß Clark Kent eben der Mann aus Stahl war. Was be­deu­te­te, daß Tau­sen­de er­wach­se­ne Män­ner von Hoch­häu­sern spran­gen, mit blo­ßen Hän­den Lo­ko­mo­ti­ven an­hal­ten und be­waff­ne­te Ver­bre­cher auf of­fe­ner Stra­ße stel­len woll­ten. Vie­le fan­den auch an­de­re Me­tho­den, Ha­ra­ki­ri zu be­ge­hen.
    Schlim­mer noch war, daß in­zwi­schen so vie­le Su­per­ir­re her­um­lie­fen, daß je­der im Land Su­per­man min­des­tens ein­mal ge­se­hen hat­te. Und vie­le der Ir­ren konn­ten klei­ne­re Er­fol­ge ver­bu­chen – sie ret­te­ten ei­ne al­te Da­me im Park vor Halb­star­ken oder ver­ei­tel­ten einen schlecht or­ga­ni­sier­ten Bank­raub ein­fach nur durch ihr Er­schei­nen –, so daß es mitt­ler­wei­le fast un­mög­lich ge­wor­den war, die Leu­te da­von zu über­zeu­gen, daß es kei­nen Su­per­man gab.
    Und je mehr Leu­te sich in dem Glau­ben wieg­ten, daß es ihn doch gab, de­sto mehr ver­fie­len dem Su­per­man-Syn­drom, und de­sto mehr wur­den der fes­ten Über­zeu­gung …
    Funck stöhn­te laut. Es gab so­gar einen be­kann­ten Fern­seh­an­sa­ger, der ein­mal scherz­haft ge­sagt hat­te, es könn­te Su­per­man viel­leicht doch ge­ben, und ei­gent­lich könn­ten je­ne Leu­te die Ir­ren sein, die das für falsch hiel­ten.
    Konn­te das sein, frag­te sich Funck. Wenn geis­ti­ge Ge­sund­heit, der Geis­tes­zu­stand der Mehr­heit der Be­völ­ke­rung im Land, zur Norm er­ho­ben wur­de und die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung an Su­per­man glaub­te, dann war viel­leicht wirk­lich die Min­der­heit, die nicht an ihn glau­ben woll­te, ver­rückt …
    Wenn die Ir­ren die Nor­ma­len wa­ren und die Nor­ma­len ei­gent­lich die Ir­ren und die Ir­ren wa­ren die Mehr­heit, dann muß­te die Wahr­heit lau­ten …
    „Fas­se dich, Funck!“ rief Dr. Fe­lix Funck laut. „Es gibt kei­nen Su­per­man! Es gibt kei­nen Su­per­man!“
    Funck ver­steck­te die Co­mics wie­der in der Schub­la­de und drück­te einen Knopf am In­ter­kom.
    „Sie kön­nen den nächs­ten Su­per­dep­pen her ein­schi­cken, Miss Jo­nes“, sag­te er.
     
    Die sü­ße Miss Jo­nes schi­en zu er­rö­ten, wäh­rend sie den nächs­ten Pa­ti­en­ten in Dr. Funcks Bü­ro führ­te.
    An dem hier war et­was Be­son­de­res, er­kann­te Funck au­gen­blick­lich. Er trug die üb­li­che Stahl­bril­le und auch den üb­li­chen An­zug mit den dop­pel­ten Auf­schlä­gen, aber an ihm sah das al­les fast gut aus. Er war ge­baut wie ein Klei­der­schrank, und die blauschwar­ze Haar­far­be schi­en fast echt. Funck roch Geld. Zu den Su­per­kräf­ten von Su­per­schrumpf ge­hör­te es ja schließ­lich, daß er au­gen­blick­lich das Bank­kon­to ei­nes po­ten­ti­el­len Kun­den ab­schät­zen konn­te. Viel­leicht be­stand die Mög­lich­keit, sich den hier als Pri­vat­pa­ti­en­ten zu kral­len …
    „Set­zen Sie sich, Mr. Kent“, sag­te Funck. „Sie sind doch Clark Kent oder nicht?“
    Clark Kent nahm auf der Stuhl­kan­te Platz, sein brei­ter Rücken war stock­steif.

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