Science Fiction Jahrbuch 1983
Dr. Funck, wann hatten Sie diese seltsame Ansicht zum ersten Mal? Könnte es sein, daß ein seltsames Kindheitstrauma dafür verantwortlich ist, daß Sie meine Existenz verleugnen? Vielleicht hat Ihre Mutter …“
„Lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel!“ kreischte Felix Funck. „Wer ist hier eigentlich der Psychiater? Ich will keine schmutzigen Geschichten über meine Mutter hören! Es gibt keinen Superman, Sie sind es nicht, und ich kann es beweisen!“
Clark Kent nickte beschwichtigend mit dem Kopf. „Gewiß, Dr. Funck“, sagte er sanft.
„Sehen Sie! Passen Sie auf! Wenn Sie Superman wären, dann hätten sie überhaupt kein Problem! Sie …“ Funck sah sich nervös in seinem Büro um. Es befand sich im zehnten Stock und hatte ein Fenster. Das Fenster hatte einen Stahlrahmen, der eineinviertel Zoll stark war. Er kann sich nicht verletzen, dachte Funck. Warum nicht? Soll er doch der Realität ins Gesicht sehen, das wird die Illusion zerstören!
„Was haben Sie gesagt, Doktor?“ fragte Clark Kent.
„Wenn Sie Superman wären, dann müßten Sie sich wegen der Flugzeuge oder Busse keine Sorgen machen. Sie können doch fliegen oder etwa nicht? Nun, warum reißen Sie dann nicht einfach den Fensterrahmen aus seiner Verankerung und fliegen zurück nach Metropolis?“
„Aber … aber Sie haben ja vollkommen recht!“ rief Clark Kent entzückt aus. „Natürlich!“
„Ah …“ sagte Funck. „Sie sehen also, daß Sie das Opfer einer Halluzination waren. Fortschritt, Fortschritt. Aber glauben Sie ja nicht, daß Sie völlig geheilt sind. Nicht einmal Superman ist so gut. Dies wird viele Stunden Privatanalyse erfordern, die ich Ihnen zum Freundschaftspreis von nur fünfzig Dollar die Stunde gewähren kann. Wir müssen die zugrunde liegenden psychosomatischen Quellen herausfinden, die …“
„Wovon sprechen Sie?“ unterbrach ihn Clark Kent, sprang vom Stuhl auf und entledigte sich blitzschnell seines Anzugs. Darunter kam ein vollständiges, maßgeschneidertes Supermankostüm zum Vorschein, und sogar ein über die Schultern hängender roter Umhang war vorhanden, den Funck neidisch betrachtete.
Er ging zum Fenster. „Natürlich!“ rief Superman. „Ich kann Stahl mit bloßen Händen biegen!“ Und mit diesen Worten riß er die einein-viertel Zoll starken Stahlrahmen aus ihren Verankerungen und öffnete das Fenster, worauf er auf den Fenstersims sprang.
„Vielen Dank für alles, Dr. Funck!“ sagte er. „Hinauf und weg!“ Er breitete die Arme aus und sprang im zehnten Stock aus dem Fenster.
Funck eilte voller Entsetzen zum Fenster und beugte sich hinab. Er erwartete, einen leblosen Klumpen unten auf dem Gehweg zu sehen. Statt dessen:
Über New York flog eine rasch kleiner werdende Gestalt dahin. Aus der dichtgedrängten Straße unten drangen schrille Schreie zu Dr. Felix Funck herauf.
„Seht nur! Dort oben am Himmel!“
„Ein Vogel!“
„Ein Flugzeug!“
„Das ist S UPERMAN !“
Dr. Felix Funck sah den Mann aus Stahl einen sanften Linksschwenk ausführen, worauf er sich hinter dem Empire State Building nach Westen wandte. Einen Augenblick war Dr. Funck verblüfft und keines Wortes fähig. Dann aber erkannte er, was geschehen war und was er zu tun hatte.
„Er ist verrückt!“ rief Felix. „Der Mann ist verrückt! Er hat eine Schraube locker! Er hält sich für Superman, und sein Irrsinn geht so weit, daß er Supermann ist ! Der Mann braucht Hilfe! Das ist eine Aufgabe für SUPERSCHRUMPF!“
Mit diesen Worten sprang Dr. Felix Funck auf den Fenstersims und legte die Straßenkleidung ab. Darunter kam ein glitzernder, hautenger roter Anzug zum Vorschein, auf dessen Brust ein blaues „S“ prangte. Er sprang aus dem Fenster und rief: „Warte auf mich, Superman, du pathetischer Neurotiker, warte auf
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