Science Fiction Jahrbuch 1983
Vieles, was noch vor fünf Jahren keine Plattenfirma angeführt hätte, wird heute – manchmal vorschnell, zugegeben, auf Platte gepreßt.
Auch LPs wie die Debütplatte des in New York lebenden und arbeitenden Deutschen Klaus Nomi – der allgemein nicht zur deutschen Welle gezählt, als deutscher Musiker mit originellem SF-Werk hier aber trotzdem erwähnt werden soll – hätte wohl vor einiger Zeit noch niemand veröffentlicht. Nomi ist eine der bizarrsten Figuren der Gegenwartsmusik. Seine Stücke sind hauptsächlich elektronisch, sein bizarres Auftreten eindeutig Science Fiction. Nomi singt von Wesen aus der kalten Tiefe, die sich, von unbegreiflichen Mächten erweckt, wieder nach dem Tod sehnen, von Besuchern vom Ende der Zeit, die gekommen sind, um über die Taten der Menschen zu richten, usw.
Klaus Nomis Musik ist von einer entropischen Kälte und Distanziertheit geprägt, die beim Anhören schon fast Eiszapfen an die Boxen zaubert. Aber die Art, wie er seine Lieder bringt, ist wirklich originell. Die Melodien sind teilweise wagnerianisch bombastisch, seine Stimme immer irgendwo zwischen Rudolf Schock, Zarah Leander und Tiny Tim angesiedelt, abrupte Wechsel von resonantem Baß zu schrillem Falsett sind nicht ungewöhnlich.
In puncto bizarrer Bühnenshow wird Klaus Nomi wahrscheinlich nur noch von einer deutschen Band übertroffen, nämlich von der Plan. Der Unterschied ist, daß Klaus Nomi Science Fiction ohne deutliche Gegenwartsbezüge singt, während der Plan sich in vielfacher Hinsicht über die Zukunft der Menschheit Gedanken macht.
Die interessanteste und beste Formation der Neuen Deutschen Welle ist der Plan aus Düsseldorf. 1978 gründeten Moritz Rrr, Frank Fenstermacher und Kai Horn von der Galerie Art Attack (heute kurz Ata Tak genannt) eine Band mit Namen Weltaufstandsplan. 1979 wurde dieser Name verkürzt zu der Plan. Im selben Jahr stieg Pyrolator, der zuvor auch bei D.A.F. mitgewirkt hatte, dort aus und gesellte sich zum Plan, worauf die erste Langspielplatte mit dem Titel GERI REIG aufgenommen wurde, die noch 1979 erschien. Die LP bietet ein kleines Spektrum unterschiedlichster elektronischer Musik, die einfache und eingängige Klangfolgen und Melodien mit teils lustigen, teils auch sehr ernsten Texten verbindet, der Plan verkünden ihre Sorge um die Zukunft der Welt und der Menschheit im Narrenkostüm, und damit haben sie vielleicht die größte Freiheit, Dinge beim Namen zu nennen. Für die große Bedeutung der Gruppe innerhalb der deutschen Musik spricht vielleicht auch die Tatsache, daß Richard L. Wagner ihr in seinem neunzigminütigen Film über die Neue Deutsche Welle – er war unter dem Titel „Dreiklangsdimensionen“ im deutschen Fernsehen zu sehen – neben D.A.F. bei weitem die meiste Sendezeit einräumte. Dort forderte der Plan zum Umdenken und zu mehr Verantwortungsgefühl gegenüber künftigen Generationen auf, und diese Warnung wird nachdrücklich auf der zweiten LP, NORMALETTE SURPRISE, wiederholt. Die Gefahren, die der Welt und der Menschheit drohen, bestehen für der Plan allerdings nicht nur in Robotisierung und Computerisierung, mit denen sich die Musiker in „Ich bin ein Komputer“ oder dem „Robot-Bolero“ auseinandersetzen, sondern auch in Umweltzerstörung und fortschreitender Vernichtung von Lebensraum. der Plan faßt facettenartig vielerlei aus der Welt von heute und morgen zusammen, und wir sollten uns die Warnungen zu Herzen nehmen, denn sonst bleibt uns als einziger Ausweg vielleicht nur das, womit Frank Fenstermacher, Moritz Rrr und Pyrolator sich am Ende der zweiten Seite ihrer bislang letzten LP verabschieden. „Ich
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