Science Fiction Jahrbuch 1983
recht zweifelhaft sind.
Ähnliches gilt auch für Nichts , ebenfalls im Aufwind des großen Erfolges. Ihre zweite Platte trägt den Titel TANGO 2000, futuristisch im Titel, doch abgesehen vom Titelstück wird man kaum eine Auseinandersetzung mit der Zukunft finden, höchstens Belangloses zum deutschen Alltagseinerlei, und das kennt man schon von anderen Gruppen zur Genüge. Womit nicht gesagt sein soll, daß die Musik von Nichts schlecht ist. Es ist schnellebige Musik für eine schnellebige Zeit, von der Band selbst gerne mit „Psycho-Pop“ bezeichnet: heute flott, morgen tot. Es bleibt aber fraglich, ob Nichts mit ihrem Psycho-Pop und dem Tango 2000 wirklich den Sprung ins einundzwanzigste Jahrhundert schaffen.
Dies soll aber beileibe kein Grabgesang auf die Neue Deutsche Welle sein, die gerade erst so richtig ans Tageslicht kommt, aber es ist eben – wie fast immer – so, daß die Konkurrenz zwar da ist, sich aber zumeist im Verborgenen abspielt.
S.Y.P.H. wurden eingangs schon einmal erwähnt. Obwohl die Band mittlerweile drei Langspielplatten veröffentlicht hat, blieb ihr der große Erfolg bislang versagt. Das spricht nicht gegen Musik oder Texte, sondern liegt einfach daran, daß die Musiker keinen Totalausverkauf betreiben, sondern ihre Belange behutsam dosiert unters Volk bringen, meist in Form von LPs mit kleinen Auflagen (so wurden von der Debüt-LP nur 1000 Stück gepreßt und numeriert). S. Y.P.H. bringen die Musik unserer Zeit: zubetonierte Städte, Vollmechanisierung, weg vom Menschen, hin zum Roboter, in einer nicht von Menschen bewohnten und durch Gefühle beschmutzten Welt bleiben die Fassaden immer makellos. Von „Maschinenhallen“ ist auf der dritten LP, live aufgenommen, die Rede, von „Industrie-Mädchen“ und einer „Pizza Mechano“, vom „Eu roton“ und dem „Mondpogo“. S. Y.P.H. sind ein gutes Beispiel dafür, daß Musik nicht unbedingt kommerziell erfolgreich sein muß, um wirklich gut zu sein. Hier sind Musik und Text einander angemessen und geprägt von Sorge um den Menschen in einer entmenschlichten Welt, die in keiner Weise verharmlosend dargestellt wird.
Einen anderen Weg zum gleichen Thema geht die Band Die tödliche Doris aus Berlin. Die gesamte zweite Seite ihrer Debütplatte, einer EP, ist der Science Fiction gewidmet. Doch die beiden Stücke „Krieg der Basen“ und „Der Astronaut und der Kosmos“ schildern keine laserblitzenden Kriege im All, sondern dienen lediglich der äußeren Umsetzung innerer Gefühle. „Der Krieg der Basen ist ständig im Kopf …“, der „inner space“ ist durch die Außenwelt bedroht, Schizophrenie, Paranoia, Sinnverwirrung als Maßstab einer immer unüberschaubareren Welt. „Der Abstand zur Basis wächst!“ Auch hier wieder textlich und musikalisch umgesetzte Entfremdung, dieses Mal aber nicht nur von den Menschen untereinander, sondern auch von der Umwelt. In dieser Welt sieht sich Die tödliche Doris selbst als Störfaktor: „Brandstifter werden … voller Lust ein Pyromane!“ Legt Feuer an die Fundamente des falschen Utopias, befreit den Menschen von den ihm auferlegten Zwängen. Auch „Der Astronaut und der Kosmos“ ist ähnlich kompromißlos: „Während das Volk im kleinen die Zukunft sichert, kann sich die denkende Klasse neue Ziele stecken … In der Demokratie gibt es keine minderwertigen Schichten, auch die Untermenschen haben eine wertvolle Aufgabe …“
Zwar formuliert sich „Das Unbehagen in der Kultur“ nicht überall so drastisch wie bei Die tödliche Doris, doch der Trend ist deutlich. Die optimistische Stimmung früherer Jahre ist verflogen, vorherrschend sind Stagnation, Resigniertheit und Niedergeschlagenheit,
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