Science Fiction Jahrbuch 1983
glaubte, es würde die Wände ihres Brustkorbes durchbrechen. Bestimmt war nichts da, es war ein Wahnsinnstraum. Aber ihre Finger schlossen sich um etwas Festes auf dem Altar, und als sie es zurückzog, verblaßte der frostartige Schimmer, und es war ein Schwert in ihrer Hand. Fest, hart, kalt und real, ein Schwert mit silbernem Griff, umwickelt mit blaß leuchtender blauer Seidenschnur, ein Glühwürmchenschimmer im fahlen Licht. Jetzt lag kein ätherischer Glanz mehr darum. Es war einfach nur ein Schwert, umhüllt von einer ledrigen Scheide. Sie umfaßte den Griff, zog es ein kleines Stück heraus. Verschnörkelte, schimmernde Buchstaben leuchteten in karmesinrotem Licht, und sie strengte ihre Augen an, um sie zu lesen.
Z IEH M ICH N IE , A USSER W ENN I CH B LUT T RINKEN D ARF .
Als das Schwert hart und real in ihrer Hand lag, keuchte sie tatsächlich laut. Die Stimme sagte in ihrem Geist:
Du brauchst kein Können, um dieses Schwert führen zu können. Es wird das Blut trinken, das ihm bestimmt ist, aus freiem Willen, und das Leben deiner Feinde dazuhin.
Der gewalttätige Leibwächter stieß sich durch die offene Tür. Er sagte argwöhnisch: „Ich dachte, ich hätte eine Stimme gehört – .“ Und hielt inne, blickte sich um.
„Mach weiter“, sagte sie eisig. „Such hinter dem Altar und den Behängen; vielleicht sind meine toten Angehörigen aus dem Grab auferstanden!“
„Ich hörte Euch reden, Domna …“
Sie sagte: „Ich habe gebetet.“
Sie bewegte sich so, daß das Schwert hinter dem Altar verborgen war, zwischen dem Stein und ihrem Körper. Er kam herum, starrte, blickte finster drein. Etwas in ihr schrie auf: Töte, töte, er ist der schlimmste von ihnen … Es war fast ein Schmerz, dieses hohe Singen in ihrem Verstand: Zieh mich nie, wenn ich kein Blut trinken darf, Blut. Ich will Blut …
Nein, dachte sie. Nicht jetzt. Narthen wird zuerst sterben. Warum den Mann töten, solange der Herr noch lebt? Wenn es bekannt wurde, daß sie ein Schwert besaß, hatte sie möglicherweise keine Chance gegen Narthen. Und wenn sie ihn tötete, was ging es sie dann noch an, was danach geschah?
Er drückte sich gegen sie. Es schien, daß das Schwert in ihrer Hand zuckte, und sie dachte: Vielleicht bleibt mir gar keine Wahl …
Blut! Ich will Blut! Töte ihn!
Er starrte sie direkt an. Er blickte vor Verwirrung finster und sagte: „Ich dachte, Ihr hättet etwas in Eurer Hand gehabt, Domna …“
„Komm und sieh nach …“ sagte sie eisig und dachte: Vielleicht muß ich ihn töten, ihn töten, sein Blut mit diesem Schwert trinken …
Er legte seine Hand auf sein eigenes Schwert … trat dann kopfschüttelnd zurück.
„Muß das Licht gewesen sein …“ murmelte er und schob seine eigene Waffe in die schmucklose Scheide zurück.
Mhari stieß ihren Atem aus.
Er konnte das Schwert nicht sehen! Doch es lag kalt und hart in ihrer Hand, wobei das hohe Summen wie von hundert Bienen davon ausging …
Er wandte sich um und stampfte aus der Kapelle hinaus. „Dieser Ort verursacht mir verdammt ein Kribbeln das ganze Rückgrat hinunter …“
Mhari schluckte. Ihre Kehle war trocken. Sie begann, das Schwert in die Scheide zurückzuschieben.
Zahle meinen Preis! Blut … Das Schwert widerstand Mharis Bemühungen, es in die Scheide zu stoßen, und schließlich, da sie intuitiv wußte, was sie tun mußte, legte sie die rasiermesserscharfe Schneide auf ihre Hand und schnitt hinein und verschmierte das Blut auf der Klinge. Dann glitt es lammfromm in die Scheide zurück, als hätte sie den Widerstand nur geträumt.
Wenn ich dich wieder ziehe, beschloß sie, sollst du nicht mehr in die Scheide zurückgesteckt werden, bis Narthens Blut deine Klinge trübt …
Niemand sonst konnte das Schwert sehen … Nicht Narthen selbst, nicht sein Mann. Mhari gürtete die Scheide um die
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