Science Fiction Jahrbuch 1983
Hüfte; sie konnte ihr Gewicht fühlen, aber wenn sie hinunter sah, konnte sie es nicht sehen, es sei denn, sie umfaßte den Griff mit ihrer Hand.
Jetzt zu Narthen – und Rache!
Narthen hatte angeordnet, daß sie neben ihm auf dem hohen Thron am Ende der langen Tafel saß, und dies, obwohl sich Mhari während der letzten vierzig Tage niemals dorthin gesetzt hatte, ohne daß Tränen ihre Augen trübten, da sie in qualvoller Erinnerung das blasse, edle Gesicht von Farren Delleray dort gesehen hatte, ihre Mutter Liana neben sich und auf der anderen Seite seine Barragana Stelli, blaß und hübsch und ziemlich genau so, wie Liana als junges Mädchen gewesen war – sie war in der Tat Mharis Kusine und eng verwandt mit Liana.
Jede Nacht, jede Nacht hatten Tränen die Gesichter der Banditen davongeschwemmt, die in flegelhafter Anordnung an der langen Tafel saßen, mit Bierkrügen klirrten und mit den schlimmsten Frauen des Haushaltes und den paar treulosen Dienern, die überlebt hatten, unzüchtige Lieder hinausgrölten, während sie, Mhari, ihren brennenden Augen die geliebten Gesichter ihrer Toten zeigte.
Doch heute abend waren ihre Augen hart, trocken und tränenlos. Es schien, daß sie in Narthens Augen nahezu die dankbare Überraschung lesen konnte, als sie ihren Platz ausnahmsweise ohne Weinen einnahm, und als er ihr einen Teller Fleisch reichte, streckte sie ihre Gabel aus und nahm vier Stücke auf ihren Teller. Eine Hand lag in ihrem Schoß, um den unsichtbaren Griff des Schwertes geballt, und sie aß hungrig, fühlte ihre Zähne auf dem zähen, verbrannten Fleisch mahlen und kauen, als würden sie in Wirklichkeit Narthens Kehle abnagen.
Er dachte also, daß sie das Weinen hinter sich hatte, daß sie beschlossen hatte, das Unvermeidliche zu akzeptieren. Sie folgte seinen Blicken, als diese zu ihrer Hüfte abschweiften, und sie konnte auch fast die Mutmaßung in ihnen lesen. Vierzig Tage – Zeit genug für sie zu wissen, ob er ihr ein Kind gemacht hatte, also war es bestimmt Zeit genug, sich zu fügen und zu akzeptieren, was sein mußte. Er rülpste, klopfte sich auf den Bauch, wobei seine Hände auf dem feinen, pelzbesetzten Kleidungsstück verweilten, das er irgendwo in den zum Bersten vollen Lagerräumen von Sain Scarp gefunden haben mußte, und er summte tatsächlich vor Zufriedenheit, wie eine Katze, die in die Molkerei eingeschlossen wurde, während er über ein Leben guten Wohnens hier in seinem neuen Heim nachsann. Mharis Zähne kauten an einem Knochen. Es war die erste richtige Mahlzeit, die sie seit jenem Tag, an dem sich die Welt um sie herum aufgelöst hatte, genoß, und sie nahm ihren Blick nicht von Narthens dickem, rotem Hals, außer einmal, als sie sich umdrehte, um den Leibwächter anzustarren und sich abwägend zu fragen, ob sie es irgendwie schaffen könnte, sie beide zu töten.
Schwert, du wirst ein ebenso gutes Mahl bekommen wie ich!
Als sie gegessen hatten, saßen sie lange beim Wein, brüllten trunken ihre Lieder, und ein Mann hob eine der Frauen hoch – sie war eine der dreckigsten Schlampen von den Stalldirnen und trug jetzt schmutzigen Staat, mit Küchenschmier besudelt –, hob sie auf den Tisch, und bat sie, für sie zu tanzen.
„Los, Mädchen, wirf deine Beine hoch, schüttle jetzt deine Titten“, schrie einer der Soldaten, und das Mädchen, das sich tölpelhaft zwischen den Tellern drehte, hob ihre Röcke in einer unbeholfenen Parodie auf einen der Tänze, die Mhari beim Mittsommer fest getanzt hatte. Sie biß ihre Zähne in plötzlicher Übelkeit zusammen. Dieses Kleid, violette Seide, mit Schmetterlingen bestickt – es hatte ihrer Schwester Lauria gehört, sie hatte es selbst bestickt, bevor sie fünfzehn
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