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Scream

Scream

Titel: Scream Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Mooney
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Nur eines hatte sich geändert: sein Alter.
    Miles Hamilton war sechsundzwanzig.
    Jack rechnete sieben Jahre zurück. Neunzehn, dachte er betroffen. Ein neunzehnjähriger Junge hat mich ausgetrickst, meine Frau getötet und mein Leben zerstört.
    Und er wird dich um mindestens zwanzig Jahre überleben, ergänzte eine Stimme.
    Ein Klappstuhl stand für ihn bereit. Jack setzte sich, stellte seine Aktentasche neben sich auf den Boden und legte vornübergebeugt die Unterarme auf die Knie, betont lässig wie seine Kleidung: Jeans und ein weißes T-Shirt. Miles legte Wert auf Äußerlichkeiten.
    Die Tür hinter ihnen fiel ins Schloss. Minuten verstrichen.
    Schließlich hörte Hamilton auf zu schreiben. Er drehte sich auf seinem Stuhl herum, schlug die Beine übereinander und tippte mit dem Kugelschreiber auf das Schreibpapier. Sein Gesicht war steinern, der Blick ausdruckslos wie der einer Puppe. Jack fühlte sich an eine Schwarze Witwe hinter Glas erinnert.
    »Special Agent Casey – nein, Detective Casey.«
    »Hallo, Miles«, grüßte Jack mit fester Stimme.
    »Kaum wiederzuerkennen. Sie haben ja eine regelrechte Metamorphose durchgemacht und sehen aus wie ein neuer Mensch. Mit Absicht, wie mir scheint.«
    Hamiltons Augen waren verblüffend blau, so kalt wie Murmeln und doch voller Intensität.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Ich hatte eine Eingebung und musste sie schnell zu Papier bringen. Es geht um Neutrinos, neutrale Elementarteilchen mit äußerst schwacher Wechselwirkung.«
    »Ich habe gehört, Sie arbeiten mit einer Gruppe von Wissenschaftlern aus Tokio zusammen.«
    »Denen steht ein fünfzigtausend Tonnen schwerer Tscherenkow-Zähler zur Verfügung, mit dem sich Neutrinos, Myonen und Betazerfälle nachweisen lassen. Ich möchte Sie nicht mit technischen Details langweilen, kann Ihnen aber versichern, dass die bislang erzielten Ergebnisse recht vielversprechend sind.«
    »Interessant.«
    »Nicht wirklich. Wissenschaftliches Arbeiten ist im Grunde langweilig, nichts, was die Sinne stimulieren könnte. All die Gleichungen, Formeln und eindimensionalen Theorien – ich fand sie schon immer sehr eingrenzend.«
    »Und warum beschäftigen Sie sich wieder damit?«
    »Um den Kopf in Schwung zu halten. Sind Sie nicht aus ebendiesem Grund nach Colorado gezogen und haben als Schreiner gearbeitet?«
    »Wer hat Ihnen gesagt, dass ich in Colorado war?«
    Hamilton grinste. »Ein gemeinsamer Freund.«
    »Derselbe, der Ihnen meine Handynummer verraten hat?«
    »Sagen Sie, was ist eigentlich aus Ihrer Nachbarin Alicia Claybrook geworden, die mich angeblich aus Ihrem Haus hat weglaufen sehen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Meine Anwälte würden ihr gern ein paar Fragen stellen, können sie aber nicht ausfindig machen. Keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
    »Nein.«
    »Stehen Sie denn mit keinem Ihrer alten Nachbarn mehr in Kontakt?«
    »Nein.«
    Hamilton musterte ihn und schien ihn mit seinen Augen zu trinken wie ein durstiger Kettenhund aus einer Pfütze.
    »Eine alleinerziehende Mutter, die drei Schichten hintereinander geschuftet und kaum mehr ihre Augen hat aufhalten können – keine besonders glaubwürdige Zeugin, trotzdem vertrauten ihr die Geschworenen. Und dann dieses Haar und die Fasern in Ihrem Schlafzimmer. Keine zwei Tage vorher waren Sie auf dem Anwesen meines Vaters, sind durch unseren Weinkeller spaziert und haben auf unseren Sesseln gesessen. Die Spuren hätten doch auch von dort mitgebracht sein können.«
    Jack antwortete nicht. Mit seinem Schweigen wollte er Hamilton aus der Deckung locken.
    »Keine Fingerabdrücke in Ihrem Haus, und die Polizei hatte keinerlei Beweise«, fuhr Hamilton fort. »Und dann die Sache mit der Tatwaffe, einem Skalpell, wie behauptet wurde – es wurde nie gefunden, wie Sie wissen.«
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Haben Sie denn nie die Protokolle gelesen?«
    »Nein.«
    Hamilton lächelte. »Dann werden Sie das nachholen.«
    »Sprechen wir über unseren gemeinsamen Freund.«
    »Zuerst das, was man Vorspiel nennt, Jack. Das, was einen in Wallung bringt. Haben Sie doch bestimmt auch praktiziert. Oder war Amanda eine jener Frauen, die sich einfach so bespringen lassen?«
    Jack rieb seine Hände aneinander und rang um Fassung, indem er sich auf die vierte Familie konzentrierte, die es zu schützen galt. »Ich erinnere mich, dass die Polizei bei Ihrer Festnahme einen Koffer gefunden hat – mit gefälschtem Pass, gefälschter Geburtsurkunde und einem Bankbeleg über

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