Scream
Menschen, nicht größer als Spielfiguren, starrte aufs Haus.
Der Schrei eines Kindes drang durch die heiße Luft und verstummte wieder.
Jack folgte der Schallrichtung und sah ein kleines Mädchen neben einem umgekippten blauen Liegestuhl. Über der Armlehne hing ein Mann, das Gesicht zum Himmel gewandt. Seine Baseballkappe trudelte über den Sand und ins Wasser. Das Mädchen schrie wieder laut auf. Ein großer Hund lief bellend auf sie zu.
Rachel.
Jack spurtete los, sprang über die Mauer und rannte zum Strand.
»RACHEL! RACHEL!«
Doch das Mädchen reagierte nicht. Es schrie wie am Spieß und starrte auf den Mann, der vor ihr im Sand lag.
Jack hob Rachel vom Boden auf. Sie strampelte mit den Beinen und kreischte. Als er ihr Gesicht zu sich drehte und ihr in die entsetzten Augen blickte, umklammerte sie mit beiden Armen seinen Hals. Er schlang die Arme enger um sie und drückte ihren Kopf an seine Brust.
»Beruhige dich, Herzchen, alles ist gut«, flüsterte er ihr ins Ohr. In Ronnie Tedescos Stirn klaffte dicht unter dem Haaransatz ein schwarzes rundes Loch. Seine geöffneten Augen waren auf die Sonne gerichtet; der heiße Wind zerzauste seine blonden Haare. Die kleine Gruppe hinter Jack gab keinen Laut von sich. Mit Rachel im Arm drehte er sich um, zeigte den Leuten seine Polizeimarke und gab ihnen zu verstehen, dass sie sich verziehen sollten.
»Er bewegt sich nicht«, schluchzte Rachel. »Ich habe ihn angestoßen, und da ist er umgefallen.«
»Du hast ihm nichts getan, Herzchen. Dir geht es gut, und daraufkommt’s an.«
»Wo ist Tante Taylor? Ich will zu Tante Taylor.«
Von Mr. Ruffles gefolgt, trug er sie zum Haus. Immer wieder drückte er ihr einen Kuss auf den Kopf und versicherte ihr, dass sie in Sicherheit sei. Wahrscheinlich hatte Taylor ihre Nichte dem Nachbarn Jay Billings anvertraut, dessen Haus am anderen Ende des Privatstrandes lag. Aber warum ist sie ohne Rachel weggefahren? Jack wusste keine Antwort und fürchtete das Schlimmste.
Bitte, lieber Gott, gib, dass ihr nichts passiert. Ich verspreche, ich werde –
Was wirst du versprechen?, antwortete die Stimme des Sandmanns. Ich habe dir Gelegenheit gegeben, zur Seite zu treten, und du hast sie nicht genutzt. Es ist alles deine Schuld, Jack. Was nun mit Taylor geschieht, hast du dir selbst zuzuschreiben.
Auf der Terrasse hatten sich sämtliche Einsatzkräfte zusammengefunden. Jack blieb vor den Stufen, die zum Garten führten, stehen und winkte sie weg. Er wollte nicht, dass Rachel die Polizisten sah, was ihr nur noch mehr Angst machen würde. Alle zogen sich zurück bis auf Mike Abrams. Er war aschfahl im Gesicht und sichtlich verzweifelt. Genau so hatte er in der Nacht ausgesehen, als Amanda starb.
»Rachel, ich muss dir eine Frage stellen«, sagte Jack und machte sich behutsam los. »Weißt du, wo Tante Taylor ist?«
Sie schniefte und rieb sich die Nase. »Zu dir hin.«
»Warum sollte sie zu mir gefahren sein, Liebes?«
»Um dich abzuholen.«
»Von wo?«
Rachel dachte angestrengt nach.
»Vom Flughafen vielleicht?«, fragte er.
Sie nickte. »Ja, von da wollte sie dich abholen.«
»Weißt du, warum?«
»Du hast doch angerufen.«
Jack bemühte sich um Fassung. »Erinnerst du dich, wann ich sie angerufen habe?«
»Als du weggefahren bist. Nachdem ich dir auf Wiedersehen gesagt habe.«
»Bist du sicher, dass ich es war?«
»Tante Taylor hat immer deinen Namen gesagt.«
Jack wich ihrem Blick aus. Es war drückend heiß, und er fürchtete, die Beine würden ihm wegknicken.
»Sie hat mich und Mr. Ruffles im Haus von Mr. Billings abgesetzt und ist losgefahren, um dich abzuholen.«
»Wie lange ist das her?«
»Weiß nicht.«
»Eine Stunde vielleicht?«
»Wie lang ist das?«
Mit Blick auf den Strand sah Jack, dass der alte Jay Billings auf den umgekippten Liegestuhl zuging. Die Polizisten von Marblehead waren bereits zur Stelle. Jack winkte Billings zu sich.
»Ist sie mit dem Ford Expedition gefahren?«
»Dem was?«
»Dem großen schwarzen Geländewagen.«
»Ja, genau. Das ist der, mit dem Mr. Ruffles am liebsten fährt.«
Mit seinem Daumen wischte Jack der Kleinen die Tränen vom Gesicht. Plötzlich zog sie ihre zarten Brauen zusammen. »Der Mann hat sich nicht mehr bewegt. Warum nicht?«
»Weil er sehr krank ist, Herzchen.«
»Wirst du ihm helfen?«
»Ich will’s versuchen.« Jack blickte zum Haus. Die Männer waren verschwunden. »Rachel, ich habe ein paar Leute in Tante Taylors Haus kommen lassen. Sie helfen
Weitere Kostenlose Bücher