Scream
Druck auf die Handgelenke nachließ.
Der Sandmann zog ihr das Skalpell über die Wange. Taylor stieß einen Schrei aus. Der Schnitt blieb eine kurze Weile weiß und füllte sich dann mit Blut. Der Sandmann fuhr mit drei Fingern darüber und leckte sie ab.
»Schmeckt nicht ganz so süß wie das der anderen. Vielleicht liegt’s daran, dass du deine Lage noch nicht richtig verstanden hast. Die Mutter von Eric Beaumont hatte dasselbe Problem.« Der Sandmann schnippte mit den Fingern. »Warte, ich weiß eine Lösung.«
Der Sandmann verschwand in der Tür hinter Taylor. Jack hörte, wie sich seine Schritte entfernten.
»Taylor«, flüsterte Jack.
Sie hatte ihren Kopf auf die Brust sinken lassen und schluchzte.
»Taylor, sieh mich an.«
Sie hob den Kopf. Ihre Augen waren verquollen und tränennass, die Haare klebten ihr im schweißnassen Gesicht. Ihr Blick war so verzweifelt, dass er am liebsten laut aufgeschrien hätte.
»Ich hole dich hier raus, das verspreche ich dir.«
»Bitte«, wimmerte sie. »Bitte, Jack.«
»Halt noch ein bisschen durch.«
Doch sie gab ihren Ängsten nach. »Ich will so nicht ster ben … Bitte … bitte, Jack, tu etwas …«
Er zerrte und schnitt an den Fesseln. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Im Flur war ein Rollen und Quietschen zu hören. Der Sand mann schob einen weiteren Drehstuhl in den Raum.
Darauf saß Rachel.
Himmel, nein …
Rachel rührte sich nicht. Ihre Augen waren leer und auf einen fernen Punkt gerichtet, um den Schrecken um sie herum auszublenden. Doch dann bemerkte sie ihre Tante. Der breite Klebestreifen auf ihrem Mund dämpfte den Schrei, doch er war laut genug, um Taylor aufmerken zu lassen.
Für einen Moment schien es, als rätselte sie, wie es sein konnte, dass ihre Nichte zugegen war. Doch dann entrang sich ihrer Kehle ein markerschütternder Schrei.
»Nein, nicht sie, nicht sie!« Taylor wand sich in ihren Fesseln. Ihr Gesicht wurde dunkelrot. »Nicht sie, bitte nicht sie, BITTE!«
»Na, das klingt doch schon viel besser«, meinte der Sandmann. Er schob den Stuhl mit Rachel auf Jack zu, bis ihre Füße seine Schienbeine berührten.
Lächelnd stand der Sandmann hinter dem Mädchen. Jack starrte ihm in die schwarzen Augen und sah die Ereignisse der letzten Monate wie im Zeitraffer vor sich: die Explosion im Haus der Roths; Eric Beaumont unter dem Bett seiner Mutter und der gemeinsame Tauchgang im Swimmingpool; das Gesicht des Jungen, entstellt von Entsetzen und Schrecken. Rachel erwartete ein ähnliches Schicksal, denn sie hatte schon jetzt einen Schaden genommen, der nicht zu heilen wäre. Der Film vor Jacks geistigem Auge wurde langsamer, als er ihm Taylor zeigte, wie sie mit den Fäusten gegen die Windschutzscheibe ihres Geländewagens trommelte. Das Foto ihrer Leiche auf dem Seziertisch. Amandas Diamantring und die Kopie seines Tagebuches in Taylors Hand. Wie sie die Badezimmertür hinter sich zuzog und ihn aus ihrem Leben aussperrte. Alle Hoffnung auf ein gemeinsames Glück war unwiderruflich dahin, getilgt durch diesen Mann, der mit schwarzen Augen und breitem Grinsen vor ihm stand.
Jack wütete mit der Klinge an den verbleibenden Schlingen und nahm in Kauf, dass er sich noch mehr verletzte. Sein Blut machte das Messer glitschig. Lass es nur ja nicht fallen, eine andere Chance bleibt dir nicht.
Der Sandmann kniete sich neben Rachel auf den Boden und zog ihr den Klebestreifen vom Mund, ohne Jack aus den Augen zu lassen. Taylors Schreie gellten durch den Raum.
»Bitte, lieber Gott … nein!«
»Der ist nicht hier«, erwiderte der Sandmann. »Im Unterschied zu mir.«
»Bitte … Onkel Jack«, flehte Rachel unter Tränen. Ihre Mundwinkel zuckten. »Lass nicht zu, dass mir der böse Mann wehtut.«
Der gequälte Klang ihrer Stimme ging ihm durch und durch. Sein Blick trübte sich ein. Er versuchte, dagegen anzugehen. Vergeblich. Wenn er es nicht bald schaffen würde, sich zu befreien, wäre es um sie alle geschehen.
»Eine Kostprobe gefällig, Jack? Um wirklich gelebt zu haben, sollten Sie einmal die Angst eines Kindes geschmeckt haben.«
Du musst ihn möglichst nah herankommen lassen.
»Ich tue alles, was Sie verlangen«, sagte Jack.
»Irgendwie glaube ich das nicht.«
»Ich flehe Sie an.«
Hinter dem Sandmann fuhr ein Schatten über die Zimmer decke.
»Für das, was jetzt passiert, trägt nur einer die Verantwortung, und das sind Sie«, erklärte der Sandmann. »Ich will, dass Sie daran denken, wenn Sie vor ihren Gräbern stehen.« Er nahm
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