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Scream

Scream

Titel: Scream Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Mooney
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geben. Er schleppte sich weiter, ruderte wie wild mit den Armen und geriet dabei so sehr ins Keuchen, dass er fürchtete, sein Herz könnte aussetzen.
    Wie er es schaffte, die Stufen zu erklimmen und trotz des gebrochenen rechten Beines über den Platz zu rennen, war ihm selbst ein Rätsel. Wenig später hatte er seinen grauen Buick erreicht, doch von DeWitt war nichts zu sehen. Er fischte die Schlüssel aus der Tasche und hoffte inständig, dass sich der Junge beeilte.
    Er machte die Tür auf und kletterte hinters Steuer. Mit zitternden Händen packte er das gebrochene Bein und hob es halb über den Beifahrersitz, weil er Platz für den linken Fuß brauchte, mit dem er beide Pedale würde bedienen müssen. Er spürte, wie ihm vor Schmerzen die Augäpfel aus den Höhlen traten.
    Die Zeit läuft ab, sagte eine fremde, gespenstisch ruhige Stimme.
    »Halt’s Maul.«
    Er startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und drückte aufs Gas. Der Wagen sprang zurück und rammte nach wenigen Metern mit der hinteren Stoßstange ein parkendes Auto. Munn richtete den Blick nach vorn, stellte die Automatik auf Drive und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
    Der Parkplatz glich einem Parcours für Stockcarrennen. Autos krachten ineinander und schleuderten umher, denn alle versuchten, auf kürzestem Weg durch die schmale Ausfahrt auf die Hauptstraße und in Sicherheit zu gelangen. Und als die verstopft war, scherten die Flüchtenden über die Seitenbegrenzung aus und schlingerten auf dem von Sprinklern gewässerten Rasen davon.
    Die Zeit läuft ab, mahnte wieder die fremde, ruhige Stimme, und Henry hörte auf sie.
    Jetzt bloß nicht aufgeben, du Waschlappen, es ist fast geschafft.
    Du hast noch die Chance, das Schwein dranzukriegen.
    Sein Handy lag auf dem Beifahrersitz. Einer Eingebung folgend, nahm er es in die Hand und wählte mit dem Daumen.
    Grüßend meldete sich seine eigene Stimme. Sie war kaum zu hören bei dem Lärm aufeinanderprallender Autos, doch als der Piepton kam, schrie er ins Mikro:
    »Die Bombe war ein Laptop in der Deckenverkleidung, verbunden mit dem hauseigenen Sicherheitssystem und aktiviert über Gardners Zugangscode. C4 an einer Zeitschaltuhr in Gardners Büro …«
    Eine Detonation erschütterte die Luft und schüttelte den Wagen. Munn warf automatisch einen Blick in den Rückspiegel. Die Fensterfront von Gardners Büro war eingerissen. Trümmerteile hagelten herab, doch das Gebäude stand noch. Es steht, der Wagen rollt, und ich lebe. Gütiger Himmel, Gott sei Dank.
    Die zweite Explosion erfolgte mit einer solchen Wucht, dass ihm die Trommelfelle platzten. Den Blick immer noch auf den Rückspiegel gerichtet, sah er, wie das ganze Haus in sich zusammenfiel. Die Druckwelle nahm ihm die Luft. Er spürte noch das Auto vom Boden abheben, wie von einem zürnenden Gott getreten. Glasscherben füllten seinen Mund und die Augen, und bevor er das Bewusstsein verlor, sah er Annie vor sich, an ihrem Hochzeitstag, die schöne Annie, den lächelnden Blick auf ihn gerichtet und gelobend, ihm die Treue zu halten.

XIV
    Zur selben Zeit stand Jack unter praller Sonne auf dem Gehweg der Atlantic Avenue und schaute über den Preston Way auf die Stelle, wo das Roth’sche Haus gestanden hatte. Die demolierten Fahrzeuge waren abtransportiert und die Trümmer von einem Bulldozer zu einem fast vier Meter hohen Wall zusammengeschoben worden, der die Ruinen der zerstörten Häuser hinter sich versteckte.
    Nur eines war noch zu sehen, die zweigeschossige weiße Villa an der Straßenecke. Irgendetwas Großes, wahrscheinlich ein Auto, hatte sich in die Haustür gebohrt, einen Teil der Außenmauer eingerissen und den ganzen Eingangsbereich verwüstet, ehe es zwischen Wohnzimmer und Küche zum Stehen gekommen war. Eine ältere Frau mit dicken Beinen voller Krampfadern und sonnenverbrannten wabbeligen Armen schlurfte auf Sandalen an den Trümmern der eingestürzten Veranda vorbei und hielt zwei Hochzeitsfotos in Silberrahmen in der Hand.
    Normalerweise hätte Jack ihr seine Hilfe angeboten. Aber er fühlte sich selbst hilflos und wie von der Welt entrückt. Er ahnte, warum.
    Vor einer halben Stunde hatte er noch in seinem klimatisierten Büro in der Polizeizentrale gestanden und die großen farbigen Tatortfotos an der Wand betrachtet, als sich eine Stimme Gehör zu schaffen versuchte, die er aus seiner Zeit als Profiler kannte, aber seit über sechs Jahren nicht mehr gehört hatte. Er wartete, dass sie zu ihm sprach und

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