Scream
irgendeinen Hinweis gab, doch da kam nichts.
Er war zurückgeblieben mit dem unbestimmten Gefühl, im Haus der Roths irgendetwas Wichtiges übersehen zu haben. Also hatte er beschlossen, an den Tatort zurückzukehren, in der Hoffnung auf eine Eingebung durch diese Stimme aus seiner Zeit als Profiler.
»He, Jack.«
Er drehte sich um und sah Barry Lentz, einen Streifenbeamten, der mit einem Plastikbecher in der Hand auf ihn zukam. Lentz war Ende zwanzig, groß gewachsen und übergewichtig; er hatte strohblonde, kurz geschorene Haare, sommersprossenübersäte Arme und ein rotes, von der Sonne verbranntes Gesicht. Vor knapp einem Jahr hatte er seine Jugendliebe geheiratet, eine Kindergärtnerin wie Amanda. Das gemeinsame Töchterchen war inzwischen zwei Monate alt. Jack wusste, dass sich Barry vor kurzem um eine Stelle beim Geheimdienst beworben hatte.
»Was führt dich hierher?«, fragte Lentz.
»Ich schaue mich bloß ein bisschen um«, antwortete Jack. »Bei dir alles in Ordnung?«
Lentz warf einen Blick auf das Trümmerfeld. »Ist dir dieser Typ schon über den Weg gelaufen?«
»Welcher Typ?«
»Reggie Kinter. Ein Koloss, Glatze, mit ausgebeulten Jeans und weißem Polohemd.«
»Nein. Wer soll das sein?«
»Ein Reporter vom Herald. Er war soeben noch auf dem Roth-Grundstück und hat Fotos gemacht.«
»Ist das alles?«
»Als er mich sah, hat er den Schlauberger raushängen lassen und gefragt, warum ich die Verwüstung einer Gasexplosion bewache.«
Jack glaubte, der Sandmann könnte an den Tatort zurückkommen, um sein Werk noch einmal zu betrachten, was für ihn sicherer wäre als ein Besuch des Dolan’schen Hauses, das rund um die Uhr bewacht wurde. Darum hatte Jack die beiden Streifenbeamten Lentz und Jeff Clark beauftragt, nach einem weißen Mann zwischen siebenundzwanzig und fünfunddreißig Jahren Ausschau zu halten, der womöglich im Preston Way aufkreuzen und wie Ted Bundy seinerzeit der Polizei Fragen stellen würde. Doch der Sandmann war kein Serienmörder – nicht im herkömmlichen Sinn – und würde sich auch nicht wie ein solcher verhalten.
»Ich habe ihm gesagt, dass ich am Strand patrouilliere, weil es in letzter Zeit Ärger mit Punks aus Lynn gegeben hätte«, berichtete Lentz. »Dieser Kinter grinst und fragt, was ich von diesem Sandmann halte. Dem Monstrum, das ganze Familien im Schlaf überrascht und umbringt.«
Jack konnte seine Überraschung nicht verbergen. »Sandmann? Er hat diesen Namen gebraucht?«
»Ja. Den habe ich vorher nie gehört. Haben Sie diesen Kerl so genannt?«
»Nein.« Jack hatte diesen Namen in der Zentrale kein einziges Mal erwähnt.
Der Sandmann musste also mit Kinter in Kontakt getreten sein. Verdammt.
Jack rechnete sich aus, dass die Story bald durchsickern und sämtliche Reporter und Pressefotografen der Stadt mobilisieren würde; dass außerdem jede Menge Anrufe von Idioten zu erwarten wären, denen er samt und sonders nachgehen müsste. Sobald nachts irgendein verdächtiges Geräusch zu hören wäre, würde der Sandmann damit in Zusammenhang gebracht werden. Und natürlich gäbe es Dutzende von Bombendrohungen. Himmel, kaum vorstellbar, was da alles auf ihn zukam.
»Habe ich was Falsches gesagt?«, fragte Lentz.
»Nein, nein. Dieser Kinter, hat er Fragen gestellt?«
»Ja. Er wollte wissen, warum die Bombe bei den Dolans nicht hochgegangen ist.«
Na prima. »Und was hast du geantwortet?«
»Dass ich keine Ahnung hätte, wovon er eigentlich spräche. Und dann …« Lentz stockte und blickte zu Boden.
»Was dann?«
»Dann hat er Fragen über dich und deine Zeit beim FBI gestellt. Über die Hamilton-Geschichte und …« Lentz räusperte sich. Er blickte auf. »Und über das, was damals passiert ist, du weißt schon.«
»Der Mord an meiner Frau.«
Lentz schwieg. Jack nickte.
»Okay. Sonst noch was?«, erkundigte er sich zunehmend ungeduldig. Er wollte nichts wie weg, weg von Barry und den Trümmern.
»Kinter kam noch auf die Serienmorde zu sprechen, die Fälle, in denen du damals ermittelt hast. Er quatschte von diesem – wie heißt er noch gleich? Der Typ aus Vermont, der kleine Jungs verschleppt und in Käfige gesperrt hat?«
»Charles Slavitt.« Jack spürte, wie sich sein Puls beschleunigte.
»Genau der.«
»Was hatte er denn über Slavitt zu sagen?«
»Weiß nicht, ich habe ihn nämlich nicht mehr zu Wort kommen lassen und stattdessen darüber aufgeklärt, dass du ein erstklassiger Detective bist, auf den Marblehead zu Recht stolz ist.
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