Scream
herum.
Die Jungen – sie sind im Alter zwischen zwölf und fünfzehn Jahren – stecken in Hundezwingern, die vor der Betonwand am anderen Ende des Raumes aufgereiht stehen. Ihre Kleider sind blutig und verdreckt, ihre Gesichter kreidebleich vor Angst. Einer kauert in sich zusammengerollt in der Ecke seines Käfigs. Die anderen beiden halten die Gitterstäbe umklammert und schreien. Eine kleine Hand, von der nur noch drei Finger übrig geblieben sind, zerrt verzweifelt am Vorhängeschloss. Der Junge im Käfig ganz rechts versucht, sich durch die Stäbe zu zwängen, und starrt mit entsetzter Miene in den Raum nebenan.
Was Jack am meisten mitnimmt, ist weniger der Anblick ihres Bluts als vielmehr der wilde, von Schrecken gezeichnete Ausdruck in den Augen, die vergreist zu sein scheinen. Er steht still, kann sich nicht rühren. Erinnerungen an Darren Nigro taumeln ihm in den Sinn, an jenen achtjährigen Jungen, der es vor einer Woche geschafft hatte, dieser Hölle zu entfliehen, und von einem Spaziergänger aufgefunden worden war. Er sieht Darren Nigro in seinem Krankenbett vor sich, am ganzen Leib zitternd trotz der Beruhigungsmittel, die man ihm gegeben hat, zwei Kissen wie Schilde an sich gedrückt. Seine Mutter streckt die Hand nach ihm aus.
Mit einem Schrei, der einem das Blut in den Adern gerinnen lässt, wirft er die Decke von sich, springt aus dem Bett und reißt die Kanüle aus dem Arm. Sein Gesicht ist dunkelrot, sein Blick voller Entsetzen. Wie ein Tier hat er die Zähne gefletscht. Speichel schäumt vor seinen Lippen, während er seine Mutter anstarrt und unmenschliche Laute ausstößt.
Was wirst du jetzt tun?
Das Motorengeräusch ruft ihn zurück in diesen Raum mit seinen Hundezwingern, den verstümmelten Händen, die an Gitterstäben zerren, und den schrecklichen Schreien im Raum nebenan. Er spürt das Gewicht der Pistole in der Hand und denkt an das, was Charles Slavitt nach den Regeln der Strafprozessordnung zu erwarten hat. Charles Slavitt, das Monster, das über zwei Dutzend Jungen gefoltert und ermordet hat, wird vor Gericht gestellt werden. Danach steckt man ihn entweder in eine geschlossene Anstalt oder auf Lebenszeit ins Gefängnis. Egal. Er bekommt ein Bett, regelmäßige Mahlzeiten, die Möglichkeit, sich zu duschen, und jede Menge Zeit zum Träumen, Lesen oder Nachdenken. Auf die Jungen und ihre Familien aber wartet eine Zukunft voller Elend und Wut. Sie werden aus diesem Albtraum nie erwachen, denn sooft sie die Narben ihrer verstümmelten Körper sehen, wird er wieder gegenwärtig sein.
Auf einer Werkbank, die in einer Ecke der gegenüberliegenden Wand steht, liegen Werkzeuge. In seiner Vorstellung entsteht ein Bild. Bei Tageslicht würde es ihn abstoßen, aber hier unten, wo der Schrecken greifbar ist, hält er daran fest und genießt das Versprechen der Erleichterung. Schnell steckt er die Pistole in das Holster zurück, ergreift den Hammer und wiegt ihn in der Hand. An der Wand hängt ein Spiegel. Er sieht sein Gesicht, erkennt sich aber darin nicht wieder. Es kümmert ihn nicht. Mit hoch über den Kopf erhobenem Hammer schleicht er nach nebenan.
Charles Slavitt ist nicht da, auch kein Junge. Auf dem nackten Betonboden steht ein Mädchen, kaum älter als fünf, barfüßig und in einem hellblauen Kleidchen. Die feinen blonden Haare liegen eng am Kopf und sind mit einem roten Gummi im Nacken zusammengefasst. Ihre Aufmerksamkeit ist auf ein Tuch gerichtet, das sie mit ihren kleinen Händen knetet.
Der Hammer sinkt. Sie schaut zu ihm auf. Ihr Blick ist freundlich.
Hallo, grüßt sie heiter, als wäre er ein guter Bekannter.
Hallo. Er ist verwirrt und wirft einen Blick über die Schulter zurück. Die Hundezwinger stehen noch an Ort und Stelle, aber die Jungen darin sind verschwunden. Er hält am Hammer fest. Die Stille in den Räumen scheint zu pulsieren.
Schön, dass ich dich endlich sehe, sagt sie.
Wer bist du?
Erkennst du mich nicht?
Nein.
Ich dich aber. Du bist Jack Casey.
Woher kennst du meinen Namen?
Ich habe Bilder von dir gesehen und … Geschichten gehört.
Sie spricht mit heller kindlicher Stimme, die aber verblüffend selbstbewusst klingt, so, als sei sie im Besitz einer jahrhundertealten, unbestreitbaren Weisheit.
Wer bist du?, fragt er noch einmal.
Ich habe deine Augen.
Sidney?
Hallo, Daddy. Endlich sehen wir uns wieder.
Jetzt fällt ihm auf, dass das Tuch in ihren Händen voller Blut ist.
Was ist passiert? Hast du dich geschnitten?
Sie kichert.
Nein,
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