Scream
gequälter Stimme zu.
»Stattdessen haben Sie sich vorgenommen, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Hätten Sie darauf verzichtet …«
»Würde Amanda noch leben, ja.«
Für eine Weile war nur der Wind zu hören.
»Also sind Sie hierher gezogen, um Sühne und Abbitte zu leisten. Wie langweilig. Und ich dachte, Sie hätten Phantasie.«
Jack hörte die Worte kaum. Er dachte wieder an Amanda, auf ihren Stuhl gefesselt, die Augen voller Verzweiflung und Angst. Hilf mir, Jack … Bitte, hilf mir. Das Skalpell schlitzt ihr den Hals auf. Sie verblutet, stirbt. Wenn ich doch nur – Jack blinzelte die Bilder fort.
»Die Erinnerung, Detective Casey, ist eine der vielen Grausamkeiten Gottes. All diese hässlichen Gedanken und Gewissensqualen lassen sich nirgends wegpacken und auf Dauer vergessen.«
»Sie haben mir immer noch nicht erklärt, in welcher Verbindung der Sandmann zu San Diego steht.«
»Nach dem Feuer in Graves wurden die Patienten auf andere psychiatrische Anstalten verteilt, die samt und sonders mit dem FBI verbandelt waren. Viele von ihnen, so auch unser Freund Gabriel, nahmen daraufhin teil am Behavioral Modification Program.«
»Nie davon gehört.«
»Es ist ja auch streng geheim. Nur sehr wenige wissen davon. Bei diesem Programm handelt es sich um eine groß angelegte Studie in Sachen Resozialisierung. Es ist eine Erfindung unseres ehemaligen Vorgesetzten. Alan glaubt, dass sich ein Kind aus elenden Verhältnissen zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft entwickeln kann, wenn man es früh genug in eine stabile Familie eingliedert und ihm Zuneigung und Erziehung zukommen lässt. Klingt großartig, oder?«
Für Jack reimte sich plötzlich einiges zusammen.
»Der Sandmann wusste von der Beteiligung des FBI an diesem Programm, nicht wahr? Er wusste von der Einrichtung der Feds in San Diego und ließ eine Bombe hochgehen, um darauf aufmerksam zu machen. Und jetzt wartet er darauf, dass sie hierherkommen. Er informiert die Medien, weil er das Programm auffliegen lassen will. Weil er öffentlich machen will, was in Graves passiert ist.«
»Aber zuerst will er sich rächen. Davon träumt Gabby seit Jahren. Was ihn antreibt, ist die Angst, dass sich keiner mehr erinnert und vergessen wird, was ihm und den anderen in Graves widerfahren ist. Er will mit seinem Fall in die Geschichte eingehen.«
»Das FBI ist auf dem Weg.« Jack klärte Fletcher über sein Gespräch mit Mark Graysmith auf.
»Alan wird also bald hier sein«, stellte Fletcher fest. »Das kann ja lustig werden.«
»Was hat Sie veranlasst, aus der Versenkung aufzutauchen?«
»Es passiert nicht alle Tage, dass man Gelegenheit hat, einen Skandal solchen Ausmaßes aus nächster Nähe mitzuerleben.«
»Sie haben andere Gründe.«
»Ich bin hier, um sicherzustellen, dass Gabby am Leben bleibt, um seine Geschichte erzählen zu können.«
»Wir müssen mögliche Opfer warnen. Erinnern Sie sich an Namen? An irgendetwas, das uns weiterhilft?«
»Wie gesagt, meine Unterlagen wurden konfisziert. Von unserem Freund Alan. Ich erinnere mich an Dr. Roth, Veronica Dolan und zwei weitere Ärzte, die aber schon vor einiger Zeit gestorben sind. Auf natürliche Art.«
Jacks Pager meldete sich. Er nahm ihn vom Gürtel, schaute auf das Display und runzelte die Stirn. Die angezeigte Nummer war ihm fremd. Er suchte in den Taschen nach seinem Handy, doch dann fiel ihm ein, dass er es im Auto hatte liegen lassen.
»Im Wohnzimmer ist ein Telefon«, sagte Fletcher.
Jack ging durch die Glasschiebetür, blieb dann aber stehen.
»Es war nicht LaRouche, der Graves niedergebrannt hat. Das waren Sie. Sie konnten die schlimmen Missstände nicht aufdecken und haben stattdessen Feuer gelegt.«
Fletcher leerte sein Glas. Der Blick seiner ausdruckslosen Augen war auf das Meer gerichtet. »Ich glaube, es war Plutarch, der sagte:‹Der Tod flüstert mir ins Ohr: Lebe, wenn ich komme.« Wenn Sie das Andenken Ihrer Frau in Ehren halten wollen, sind Sie ihr etwas schuldig.«
Das schnurlose Telefon lag im Bücherregal neben dem Kamin. Jack wählte die auf dem Pager angezeigte Nummer.
»Duffy«, meldete sich eine Stimme.
Jack wusste mit dem Namen nichts anzufangen. »Hier ist Detective Casey aus Marblehead. Haben Sie mich gerade –«
»Angepiept, ja. Ich bin ein Kollege aus Newton. Wir brauchen Ihre Hilfe. Sie sollten sich einmal den Notruf anhören, der soeben bei uns eingegangen ist.«
XXXII
Newton, eine kleine Ortschaft, in der Leute wohnten, die mit Geld
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