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Scream

Scream

Titel: Scream Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Mooney
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angefühlt?«
    Jack blickte hinunter auf die Passanten in den Gassen von Old Town. Gesegnete Sorglosigkeit.
    »Die grausamsten Lügen werden häufig schweigend vorgetragen.«
    »Er hat es nicht anders verdient«, sagte Jack.
    »Wozu dann dieses moralische Melodrama? Sind Sie religiös?«
    »Ich wurde katholisch erzogen.«
    »Mit anderen Worten: Man hat Ihnen das Gehirn gewaschen.« Fletcher lachte leise. »Sie sollten einmal den Park für Sibirische Tiger in China besuchen. Für zwölf Dollar können Sie dort ein Kaninchen kaufen und es an die Raubkatzen verfüttern. Für hundertzwanzig bekommen Sie ein Schwein. Ich habe erlebt, wie ein junges chinesisches Ehepaar seinen beiden Kindern ein Angus-Kalb spendierte, das noch um einiges teurer war. Es lief ein paar Minuten lang aufgescheucht herum, wurde dann von den Tigern überwältigt und zerfetzt. Das siebenjährige Mädchen machte Fotos, und der vierjährige Bruder klatschte in die Hände. Was sagt Ihnen das?«
    »Ich kann nur hoffen, dass zumindest einige von uns weiter entwickelt sind.«
    »Ja, fast hätte ich vergessen, wie weit eine Gesellschaft entwickelt sein kann. Ein sechzehnjähriger Junge aus Wyoming wurde von seinen Freunden zu Tode geknüppelt, als sie herausfanden, dass er homosexuell war. Während der Beerdigung zogen christliche Protestler auf mit Transparenten, auf denen geschrieben stand:‹Schwule brennen in der Hölle) und‹Aids straft Perverse«. Tiere töten, um zu leben. Unsereins tötet aus Vergnügen und Raffgier, aus Angst, Verzweiflung und religiösem Wahn.« Fletcher lachte. »Und das alles entspringt ein und derselben Quelle. Warum auch nicht? Schließlich sind wir alle nach göttlichem Abbild geschaffen.«
    »Vorsätzlich und heimtückisch –«
    »Ein Amokläufer dringt mit einem Sturmgewehr in eine Kirche ein und erschießt vierzehn Teenager. Ein verwundetes Mädchen schleppt sich zur Tür und schreit um Hilfe. Als der Killer sie sieht, hält er ihr den Gewehrlauf an die Schläfe und fragt, ob sie an Jesus glaube. Sie sagt ja, woraufhin er ihr lächelnd den Kopf wegschießt. Warum hat Gott sie nicht gerettet, Detective Casey? Wo war er, als diese Jungen von Slavitt gefoltert wurden? Als Darren Nigro dabei zusehen musste, wie ihm die Finger abgeschnitten wurden? Warum hört Gott nicht die Gebete eines achtjährigen Jungen, der vor Schmerzen schreit? Ich will es Ihnen sagen. Gott existiert auf dieser Erde nicht. Menschen sterben bei Flugzeugabstürzen, Tausende fallen sogenannten ethnischen Säuberungen zum Opfer, und Kinder werden massakriert, mit Bohrmaschinen gequält und in Hundezwinger gesteckt, weil sich Gott nichts daraus macht.«
    »Vielleicht kommt es darauf gar nicht an.«
    »Worauf dann? Dass Darren Nigro Gerechtigkeit findet? Dass er seine quälenden Erinnerungen loswird?«
    »Er hat sich erhängt.«
    »Hatten Sie Kontakt mit ihm?«
    »Einmal. Ungefähr zweieinhalb Jahre später, als ich in Ocean Point war.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Nein. Er hat einen Brief geschickt, der mir von einem Freund zugestellt wurde.«
    »Was stand darauf?«
    »Im Umschlag steckte ein ausgeschnittener Zeitungsartikel über den Fall Slavitt.«
    »Und?«
    »Darauf stand:‹Danke›.«
    »Das hätte Sie doch beruhigen können. Was quält Sie weiterhin?«
    »Warum ist der Sandmann in Marblehead?«
    Fletcher trank einen Schluck Wein und ließ seine Blicke übers Meer schweifen. »Sind Ihnen irgendwelche interessanten Gedanken über Larry Roth und Veronica Dolan durch den Kopf gegangen?«
    »Roth hat am Graves Resozialisations Center für Jugendliche in Harvard, Massachusetts, gearbeitet. Veronica Dolan war ebenfalls dort für ein Jahr als psychiatrische Krankenschwester angestellt.«
    »Und ich dachte die ganze Zeit, die beiden hätten eine unglückliche Liebschaft gepflegt«, entgegnete Fletcher. »Wie sind Sie darauf gekommen?«
    »Steuererklärungen.« Mike hatte ihm an diesem Nachmittag davon berichtet. »Graves war eine privat geführte Anstalt. Vor fast dreiundzwanzig Jahren ist der gesamte Komplex niedergebrannt. Man vermutete Brandstiftung als Ursache, konnte das aber nicht beweisen. Viel mehr wissen wir nicht. Es liegen kaum Informationen über Graves vor.«
    »Kein Wunder.«
    »Wieso?«
    »Das Graves Center war eine Art Auffanglager für vernachlässigte Kinder zwischen sechs und sechzehn Jahren, aus zerrütteten Familien und mit psychotischen Symptomen. Hoffnungslose Fälle, die von unserer so hoch entwickelten Gesellschaft

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