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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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sie.
    »Und ich wollte mit dir über Grace sprechen«, sagte er.
    Gleich darauf schämte er sich. Zurückweisungen waren in ihrer Familie gang und gäbe. Auch Feigheiten. Aber seine Mutter entschied sich, großzügig zu sein.
    »Sie ist Alices Mädchen. Die frühere Alice Wilks. Du wirst dich an sie erinnern. Oder vielleicht nicht – sie verließ die Landzunge, als zu zehn warst oder so. Heiratete einen Kerl namens Shakewell. Niemand von uns bekam ihn je zu sehen – ein hübsches Geheimnis, aber Alice war so. Und als sie zurückkam, da kam sie allein, nur mit Grace. Nicht ein Wort. Fing einfach wieder an, als ob sie nie fort gewesen wäre. Acht, neun Jahre ist das jetzt her. So war Alice. Ist es noch, denke ich.«
    »Es tut mir leid – du wolltest über Vater sprechen.«
    »Alles zu seiner Zeit.« Maudie lehnte sich zurück, auf einen Ellbogen gestützt, und beschirmte die Augen gegen die Sonne. »Grace unterrichtet Französisch im staatlichen Regionalprogramm. Ein nettes Mädchen. Und ich habe sie hier gesehen. Sie ist gerade unten bei Hartford.«
    Sie wies mit einer Kopfbewegung in die Richtung. Pete schaute hin und sah die zwei jenseits der nun verlassenen Tische im Gras. Hartford lag auf dem Rücken, und Grace fütterte ihn mit Brotstückchen. »Ich sprach heute morgen mit ihr«, sagte Pete, »auf der Herfahrt. Sie sagte nur, daß sie oft zu dir käme. Sie sagte, du seist die Größte.«
    »Wir kommen miteinander aus, Grace und ich. Wie ich sagte, sie ist ein nettes Mädchen.«
    Und seine Schmeichelei elegant abgewehrt. Seine Mutter hatte ihm schon einmal erschreckend deutlich gemacht, wie wenig sie sich für dumm verkaufen ließ. Er mußte wirklich aufhören, sie als eine einfältige alte Frau zu behandeln.
    »Sie lebt bei ihrer Mutter?«
    »Im selben Haus.« Eine klare Unterscheidung. »Sie haben das große Haus draußen jenseits der Schlucht. Erny Wilks kaufte es achtundneunzig. Starb schon neun Jahre später. Hatte sechs Kinder und überließ es Alice; sie ist die jüngste. So war Alice.«
    Das große Haus jenseits der Schlucht, und fünf enterbte Tanten und Onkeln. Pete erinnerte sich gut. »War Alice Wilks nicht eine von den Nacktbadern?«
    »Du hast es erraten, Junge.« Seine Mutter rümpfte die Nase. »Das war eine Mode, die ich nicht schätzte.«
    Herausfordernde Nacktheit war eine Mode, die niemand vermißte. In ihrer Zeit mochte sie einen Sinn gehabt haben. Heutzutage zeigte man, was man für passend oder schön hielt, und machte weiter kein Aufhebens. Aber hier oben waren, nach dem Naserümpfen seiner Mutter zu urteilen, wieder strengere Sitten eingekehrt.
    »Ja«, sagte er vorsichtig, »es hat sich vieles geändert.«
    Aber seine Mutter ließ sich nicht in Diskussionen darüber ziehen, wieviel sich geändert hatte oder nicht. »Grace ist ein nettes Mädchen. Wenn du daran denkst, einen Hausstand zu gründen, könntest du nichts Besseres tun.«
    »Um Himmels willen – ich habe bloß angehalten und sie nach dem Weg gefragt.«
    »Den du in siebzehn Jahren natürlich völlig vergessen hattest.«
    Er brachte ein breites Lächeln zustande, das ihrer Version seiner Motive stattgab. Tatsächlich hatte er aus ganz anderen, traurigeren Gründen angehalten. Er blickte hinüber zu der Stelle, wo Scudder Laznett noch immer allein über den Felsen saß. Wenn seine Mutter wirklich über ihn hatte sprechen wollen, dann war jetzt die Zeit dazu. Aber bitte, Mutter, keinen Stimmenfang!
    »Vater sondert sich ab«, sagte er.
    »Hatte nie viel für Gesellschaft übrig. In letzter Zeit noch weniger.«
    »Jeder nach seinem Geschmack.«
    Und, nachdem das geregelt war: »Aber du kommst gut allein zurecht, nicht wahr?«
    »All diese Jahre in der Ferry Lane, Junge, ich hätte sterben können.«
    Wenigstens räumte sie ein, daß ihr gegenwärtiges Leben seine Bequemlichkeiten und Befriedigungen hatte. Und was die Vergangenheit anging: »Du hattest die Nachbarn.«
    Das stimmte natürlich nicht. Was hatte sie angesichts der alles durchdringenden Anwesenheit ihres Mannes von den Nachbarn haben können? Die Reichen der Oberklasse konnten sich über ihn erheben. Die Leute aus der Ferry Lane waren einfach auf der anderen Seite vorbeigegangen.
    Aber seine Mutter war klug genug, nicht über die alten Zeiten zu jammern. »Wie fandest du ihn?«
    »Scudder? Er scheint gut beisammen. Recht gut …«
    »Ah.«
    Nach zwei Meisterstücken von Nicht-Kommunikation trat Stille ein. Zu ihrer Linken warf jemand den Möwen Hummerreste zu.
    Pete

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