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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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wandte sich ihr zu. »Er ist nicht krank, oder?«
    »Was bringt dich auf den Gedanken, Junge?«
    »Du sagtest … bei der Einblendung … ich dachte …«
    »Was sagte ich?«
    »Es spielt keine Rolle.«
    Wieder Schweigen. Aber er hatte ihr genug geholfen. Schließlich war sie es gewesen, die gesagt hatte, daß sie über seinen Vater sprechen wollte.
    Unter ihnen, am Rand der Felsen, blickte Scudder auf seine Armbanduhr, trank sein Bier aus und stand auf. Er ging zwischen den schwatzenden Leuten davon. Ausgestreckte Hände wurden ihm dargeboten, scherzhafte Begrüßungen. Er nahm jede Hand und beantwortete jede Begrüßung in einer minimalen Art und Weise, und ging weiter. Sie würden ihn gern mögen, dachte Peter. Um der Kontinuität willen, wenn schon nicht aus anderen Gründen. Auf der Landzunge bedeutete Kontinuität viel.
    »Er freut sich, daß du gekommen bist, Pete.«
    »Das sagte er.« Also brauchst du nicht davon anzufangen.
    »Dann ist das in Ordnung.«
    Aber du nicht. Du bist nicht erfreut. Nicht einmal für ihn. Warum also der Druck?
    »Ich bin … ein bißchen müde, Mutter. Es war eine lange Fahrt. Ich glaube, ich werde …«
    »Ist mir ganz recht, Junge. Geh nur zu!«
    Er stand auf, bückte sich nach dem fettigen Plastikschüsselchen und dem Teller, versuchte sich nichts daraus zu machen, daß sie das Bedürfnis hatte, immer und überall zu gewinnen. Er berührte flüchtig ihre Schulter und wandte sich ab. Wenn man stand, erschien das Geplapper lauter, fröhlicher. Er bemühte sich, es so zu hören, wie es war, ungezwungen, und die Leute so zu sehen, wie sie waren, frei und sorglos, ohne den verdrießlichen Wirrwarr seiner Gegenwart in seiner Vergangenheit. Unbefangen ging er unter ihnen. Es mochte sein, daß er Scudders Junge war, aber nicht Scudder Laznett.
    »Heda! – Wohin wollen Sie, Scudder Laznetts Junge?«
    Es war Grace, die leichtfüßig gelaufen kam, ihn abzufangen. Jenseits der Tische hinter ihr lag Hartford Ganz im Gras und starrte träge zum Himmel auf.
    Pete zögerte eine Sekunde lang, schwankend zwischen junger Frau und altem Mann. Dann wählte er, das heißt, sein Fleisch wählte für ihn, er streckte beide Hände aus.
    »Ich kenne Sie. Sie sind Grace Shakewell. Sie unterrichten Französisch im staatlichen Programm. Und Ihre Mutter ist die frühere Alice Wilks.«
    »Und Ihr Großvater wurde aus einer Schneewehe gezogen, steif wie ein Brett.«
    Sie nahm seine Hände. Tröstlich und erfreuend. Lieber Himmel, war sie trostreich!
    »Ist dies nicht das herrlichste Hummerpicknick?« sagte sie.
    Und es war so.
    »Erzählen Sie mir, Grace Shakewell, was aus Ihren fünf enterbten Tanten und Onkeln geworden ist.«
    »Sie schicken uns jeden Huppeltag vergiftete Schokolade.«
    »Ich habe immer gesagt, daß große Familien etwas Gemütliches an sich haben.«
    »Reiben Sie es mir nicht ein. Großvater konnte nichts dafür. Autres Pays, autres moeurs.«
    »Machen Sie jetzt kein Gesicht, aber Ihr Beruf scheint durch.«
    »Unsinn! Das ist ein Teil unseres europäischen Kulturerbes.«
    »Ich bekenne mich infiziert.«
    Sie ließ seine Hände los und trat einen Schritt zurück.
    »Wissen Sie, wir können nicht gut in diesem Stil weitermachen.«
    »Wer würde es wollen?«
    »Gott sei Dank.«
    Plötzlich war eine Ernsthaftigkeit zwischen ihnen, eine Zukunft.
    »Also?«
    »Nun …«
    Die Worte gingen ihnen aus. Bis sie endlich den Arm hob und sich Strähnen sonnengebleichten Haars aus dem Gesicht streifte.
    »Holen wir uns ein Bier!«
    »Nein, ich kann nicht. Nicht jetzt …« Er hielt inne. Es gab Prioritäten. Sie würde es verstehen. »Es handelt sich um meinen Vater – er kam nur meinetwegen hierher. Und nun ist er allein nach Hause gegangen, und ich muß ihm nach.«
    »Natürlich müssen Sie. Ein anderes Mal, dann.«
    Er beugte sich rasch zu ihr und küßte sie auf die Wange. »Leben Sie wohl!«
    »Sie auch.«
    Darauf wandte sie sich ab und ging fort, und er blickte ihr nach. In ihrer Einfachheit war ein Versprechen, das bestimmte Versprechen von Gemeinsamkeit. Sie trug ihre Jugend zufrieden, wie ein gern getragenes Kleid, weder smaragdgrün noch rosa. Tatsächlich sah er nun, als er sie aufmerksam betrachtete, daß sie Weiß trug. Weiße Shorts und eine Bluse, die sie vorn über einer Handbreit gebräunter Haut zusammengeknotet hatte.
    Ohne Eile machte er sich auf den Rückweg zum Haus. Als er die Straße entlang ging, dachte er an Grace. Und er dachte an Emma, in der Stadt. Es war ihm schwergefallen,

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