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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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genug Feinde. Nun also Schluss mit dem Schauspiel, wenn’s recht ist. Willkommen, Rake. Du wirst uns zweifellos – neben anderen wichtigen Einzelheiten – über den Zustand von Mondbrut informieren.« Er unterbrach sich und sah Paran wütend an. »Hauptmann, könnt Ihr nicht endlich etwas wegen dieses verdammten fliegenden Tischs unternehmen!«
    Die plötzliche Aufmerksamkeit ließ Paran zusammenzucken; er blickte nach oben. »Nun«, brachte er heraus, »so ganz auf die Schnelle fällt mir nichts ein, Kriegsherr. Ich … äh, ich bin kein Magier–«
    Bruth grunzte und drehte sich um. »Macht Euch nichts draus. Wir werden ihn als grobe Verzierung betrachten.«
    Der Schnelle Ben räusperte sich. »Ich könnte es vielleicht hinkriegen, Kriegsherr … es wird aber ein bisschen dauern …«
    Caladan Bruth warf Dujek einen Blick zu, der grinsend mit einem Nicken in Richtung des Schnellen Ben sein Einverständnis gab.
    »Ich sehe, dass Ihr kein einfacher Soldat seid«, bemerkte Anomander Rake.
    Der Magier aus dem Reich der Sieben Städte zuckte die Schultern. »Ich liebe Herausforderungen, Lord. Aber bedenkt, es gibt keine Garantien, dass ich wirklich Erfolg haben werde – nein, forscht nicht in meine Richtung, Sohn der Dunkelheit. Ich schätze meine Privatsphäre.«
    »Wie Ihr wollt«, sagte Anomander Rake und wandte sich ab.
    »Hat eigentlich sonst noch irgendjemand Hunger?«
    Alle Augen richteten sich auf Kruppe.
     
    Während die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf andere Dinge gelenkt war, verließ die Mhybe leise die Lichtung, schlich zwischen zwei Reihen spitzer Tiste-Andii-Zelte hindurch, drehte sich dann um und versuchte loszurennen. Ihre Knochen und Muskeln protestierten, obgleich in ihren Adern Panik und Entsetzen brannten.
    Sie humpelte weiter, halb blind vor Tränen, und ihr Atem kam in rauen, rasselnden Stößen, unterbrochen von leisem Schluchzen. Oh … ihr Geister … seht mich an. Zeigt Erbarmen, ich bitte euch. Seht, wie ich dahinstolpere und wanke – seht doch nur! Habt Mitleid mit mir, ihr Geister hienieden! Ich habe ein Recht darauf! Nehmt meine Seele, ihr grausamen Vorfahren, ich bitte euch!
    Die Kupferreifen um ihre Handgelenke und Knöchel – kleine, unbedeutende Schutzzauber gegen die Schmerzen in ihren Knochen – fühlten sich auf ihrer verwelkten Haut eiskalt an, kalt wie die Berührung eines Schänders, verachteten ihre Schwäche, ihr wild hämmerndes Herz.
    Die Geister der Rhivi verweigerten sich ihr, verspotteten sie, lachten sie aus.
    Die alte Frau schluchzte auf, stolperte, fiel hart auf die Knie. Der Aufprall trieb ihr die Luft aus der Lunge. Sich windend sank sie zu Boden, verdreckt, allein in einer Gasse aus Schmutz.
    »›Fleisch‹«, murmelte eine Stimme über ihr, »›das das Leben im Innern ist‹. Dies, meine teure Freundin, sind die Worte der Geburt, die auf vielerlei Art ausgesprochen werden, in unzähligen Sprachen. Sie sind Freude und Schmerz, Verlust und Opfer, sie geben dem Band der Mutterschaft eine Stimme … mehr noch, sie sind das Band des Lebens an sich.«
    Die Mhybe hob den Kopf. Graue Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht.
    Scharteke saß mit zwischen die Flügel gezogenem Kopf auf der Firststange eines Zelts; ihre Augen glänzten feucht. »Wie du sehen kannst, bin ich nicht unempfänglich für Kummer, meine Liebe – erzähle niemandem, dass du mich so gesehen hast, geschwächt durch die Liebe. Wie kann ich dich trösten?«
    Die Mhybe schüttelte den Kopf. »Gar nicht«, krächzte sie.
    »Sie ist mehr du als die anderen – mehr als die Frau namens Flickenseel oder Nachtfrost, mehr als die T’lan Imass – «
    »Kannst du mich sehen, Scharteke? Kannst du mich wirklich erkennen?« Die Mhybe rappelte sich auf Hände und Knie, setzte sich dann hin und schaute zu der Ältesten der Großen Raben hoch. »Ich bin nichts weiter als Knochen und ledrige Haut, nichts als nie endende Schmerzen. Vertrocknet und zerbrechlich – ihr Geister hienieden, jeden Augenblick dieses Lebens, dieses schrecklichen Daseins bewege ich mich näher auf … auf …«, ihr Kopf sank herab, »auf den Hass zu«, beendete sie den Satz in rauem Flüsterton. Ein Schluchzen schüttelte sie.
    »Und deswegen willst du jetzt sterben«, sagte Scharteke. »Ja, ich verstehe. Eine Mutter sollte nicht dazu gebracht werden, das Kind zu hassen, das sie geboren hat … doch du verlangst zu viel von dir.«
    »Sie hat mir mein Leben gestohlen!«, schrie die Mhybe, die knorrigen Hände so fest zu Fäusten

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