SdG 04 - Die eisige Zeit
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Die Hauer des Jaghut schimmerten hell im Zwielicht. »Zu welchem Schluss bist du gekommen, Sterblicher – ist Wissen ein Geschenk oder ein Fluch?«
Das ist eine allzu vorausschauende Frage … »Es ist beides, Raest.«
»Und was von den beiden wirst du mit offenen Armen aufnehmen?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Du weinst, Sterblicher. Vor Freude oder vor Kummer?« Paran schnitt eine Grimasse, wischte sich übers Gesicht. »Ich möchte gehen, Raest«, sagte er schroff. »Ich möchte zurück – «
Er öffnete blinzelnd die Augen und stellte fest, dass er auf den Knien lag – ein gutes halbes Dutzend Schritte vor einem nachdenklichen Sohn der Dunkelheit. Paran spürte, dass nur wenige Augenblicke seit seiner plötzlichen Ankunft verstrichen waren, doch in der Zwischenzeit war ein Teil der Spannung verflogen, die er zunächst gespürt hatte.
Eine Hand ruhte auf seiner Schulter, und als er aufschaute, war Silberfuchs an seiner Seite, und die Mhybe stand unsicher einen Schritt hinter ihr. Der Daru – Kruppe – war ebenfalls ganz in der Nähe und zupfte leise vor sich hin summend sorgfältig seine seidenen Gewänder zurecht, während der Schnelle Ben einen Schritt weiter auf den Hauptmann zutrat – obwohl die Augen des Magiers unverwandt auf den Ritter der Dunkelheit gerichtet waren.
Der Hauptmann schloss die Augen. In seinem Kopf drehte sich alles. Er fühlte sich regelrecht entwurzelt von all dem, was er entdeckt hatte – angefangen bei den Dingen, die mich selbst betreffen. Herr der Drachenkarten. Neuester Rekrut in einem Krieg, über den ich nicht das Geringste weiß. Und jetzt … das hier. »Im Namen des Vermummten«, grollte Paran, »was geht hier eigentlich vor?«
»Ich habe Macht angezogen«, erwiderte Silberfuchs. In ihren Augen brannte ein wildes Feuer.
Paran holte tief Luft. Macht, oh, ja, dieses Gefühl lerne ich allmählich kennen. Jen’isand Rul. Wir haben beide jeweils unsere eigene Reise begonnen, Silberfuchs, du und ich, doch wir sind dazu bestimmt, am gleichen Ort anzukommen. Dem Ort der Zweiten Zusammenkunft. Ich frage mich, wer zu den beiden uralten, lange vergessenen Thronen aufsteigen wird? Wohin wirst du die T’lan Imass führen, liebes Kind?
Anomander Rake ergriff das Wort. »Ein derart … angespanntes Wiedersehen hatte ich nicht erwartet, Caladan – «
Parans Kopf zuckte herum, und dann sah er den Kriegsherrn. Und den Hammer, den er so leicht in seinen gewaltigen Armen hielt. Ich kenne dich, Kriegsherr. Nicht, dass ich dein dunkles Geheimnis enthüllen würde – was würde das nützen? Die Wahl liegt bei dir, ganz allein bei dir. Töte entweder uns alle – oder die Göttin, der du dienst. Bruth, ich neide dir den Fluch deines Privilegs, wählen zu können, nicht. Oh nein, ganz und gar nicht, du bedauernswerter Bastard. Doch ich frage mich – wie hoch ist der Preis für einen gebrochenen Schwur?
Der Sohn der Dunkelheit fuhr fort. »Ich möchte mich bei allen hier Anwesenden entschuldigen. Wie dieser Mann hier«, Rake deutete auf den Schnellen Ben, »weise bemerkt hat, wäre es in der Tat überstürzt, jetzt – da wir erst so wenig über die Natur der Macht wissen, die sich hier offenbart hat – zu handeln.«
»Es ist vielleicht schon zu spät«, sagte Kallor, die kalten, uralten Augen auf Silberfuchs gerichtet. »Die Zauberei des Kindes war Tellann, und es ist lange her, dass diese Art Magie so durch und durch erweckt wurde. Wir sind bereits alle miteinander in Gefahr. Wenn wir uns jetzt sofort, in diesem Augenblick, alle zusammentun, könnten wir vielleicht Erfolg haben, könnte es uns gelingen, diese Kreatur niederzuhauen … Wir haben vielleicht nie wieder eine solche Gelegenheit.«
»Und wenn wir scheitern, Kallor?«, fragte Anomander Rake. »Was für einen Feind haben wir uns dann gemacht? Im Augenblick hat dieses Kind nur gehandelt, um sich selbst zu schützen, weiter nichts. Aber das ist keine feindliche Haltung, oder? Du wagst zu viel mit einem einzigen Wurf, Hochkönig.«
»Endlich«, dröhnte Caladan Bruth und steckte den gefürchteten, alles zerschmetternden Hammer zurück in seine Schlaufen, »denkt jemand an Strategie.« Der Zorn schwang auch weiterhin in seiner Stimme mit, als wäre er wütend, öffentlich bekunden zu müssen, was für ihn schon die ganze Zeit offensichtlich gewesen war. »Neutralität ist der sicherste Weg, der uns offen steht, bis die Natur von Silberfuchs’ Macht sich von selbst enthüllt. Wir haben auch so schon
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