Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
die feierlichen Titel mit größter Genauigkeit aufgeschrieben. Destriant … Beim Atem des Vermummten, es hat im Kult seit tausend Jahren keinen wirklichen Destriant mehr gegeben. Die Titel sind nur zur Schau, Elster – «
    »Tatsächlich?«, unterbrach ihn der Kommandant. »Und warum halten sie sie dann vor dem Fener-Priester im Maskenrat geheim?«
    »Tja … Oh, das ist einfach. Der Priester würde natürlich wissen, dass es eine Lüge ist. Siehst du, es gibt eine einfache Antwort auf deine Frage.«
    »Eine einfache Antwort, genau wie du sagst. Aber sind einfache Antworten auch immer richtige Antworten, Ben?«
    Ohne auf die Frage einzugehen, leerte der Magier seinen Becher. »Wie auch immer, ich würde die Grauen Schwerter als die Besten von dem Haufen einschätzen, der sich da rumtreibt. Aber das heißt nicht viel.«
    »Sind sie auf die Geschichte mit dem ›zufälligen‹ Kontakt reingefallen?«
    »Ich glaube schon. Ich habe den Zauber so geformt, dass er das Wesen der Kompanie reflektieren sollte – entweder gierig und raubgierig oder ehrenhaft oder was weiß ich. Ich muss allerdings zugeben, dass ich nicht erwartet hätte, frommen Gottesglauben zu finden. Doch der Zauber sollte anpassungsfähig sein, und genau das war er.«
    Elster rappelte sich auf. Er stöhnte auf, als er sein Gewicht auf das verletzte Bein legte. »Dann sollte ich wohl besser mal nach Bruth und Dujek suchen.«
    »Ich vermute, dass sie an der Spitze der Kolonne sind«, meinte der Schnelle Ben.
    »Du bist heute ja wieder einmal besonders scharfsinnig«, bemerkte der Kommandant, als er das Zelt verließ.
    Als Elsters sarkastische Bemerkung einen Augenblick später schließlich zum Schnellen Ben durchgedrungen war, machte er ein finsteres Gesicht.
     
    Auf der anderen Seite der Straße, gegenüber dem Tor zu den Truppenunterkünften und hinter einem uralten Bronzezaun, lag ein Friedhof, der einst einem der Gründerstämme von Capustan gehört hatte. Die von der Sonne hart gebackenen Säulen aus Schlamm mit ihren spiralförmigen Kerben – von denen jede einen aufrecht stehenden Leichnam enthielt – erhoben sich wie die Baumstämme eines dichten Waldes im Herzen des Friedhofs, auf allen Seiten von den eher prosaischen steinernen Urnen der Daru umgeben. Die Geschichte der Stadt war ebenso bizarr wie qualvoll, und es war Itkovians Aufgabe innerhalb der Kompanie gewesen, ihre Tiefen auszuloten. Der Schild-Amboss der Grauen Schwerter war eine Position, die gleichermaßen Gelehrsamkeit wie militärische Tüchtigkeit erforderte. Die meisten würden diese beiden Disziplinen für sehr verschieden halten, doch das Gegenteil war der Fall.
    Aus der Kenntnis von Geschichte, Philosophie und Religionen erwuchs ein Verständnis für menschliche Beweggründe, und Beweggründe lagen im Zentrum von Strategie und Taktik. Genau so, wie die Bewegungsabläufe von Menschen bestimmten Mustern folgten, taten es auch ihre Gedanken. Ein Schild-Amboss musste vorhersehen und vorausahnen, und dies galt für die möglichen Handlungen der Verbündeten genauso wie für die der Feinde.
    Eine Generation vor der Ankunft der Daru-Völker aus dem Westen waren die Stämme, die Capustan gegründet hatten, noch Nomaden gewesen. Und sie beerdigen ihre Toten im Stehen. Damit sie in ihrer unsichtbaren Geisterwelt herumwandern können. Diese Unruhe war noch immer in den Gedanken der Capan, und da die Daru-Gemeinschaften unter sich blieben, hatte sie sich kaum abgeschwächt, auch wenn mittlerweile Dutzende von Generationen an diesem Ort gelebt hatten und gestorben waren.
    Doch viel von Capustans früher Geschichte blieb ein Geheimnis, und Itkovian stellte fest, dass er darüber nachgrübelte, wie wenig er aus jenen Zeiten hatte zusammensetzen können, während er zwei Flügel Berittener die breite, gepflasterte Straße hinunter auf Jelarkans Promenadenplatz zuführte, und dann weiter zum nach Süden gewandten Haupttor.
    Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, und das stählerne Grau des frühen Morgens drängte sich durch die schweren Wolken im Osten; der Wind ließ nach, wurde zu vereinzelten, launischen Böen.
    Die Viertel, aus denen die Stadt bestand, wurden Trutze genannt, und jede dieser Trutze war eine selbstständige, unabhängige Siedlung, meist kreisrund, mit einem eigenen Platz im Zentrum. Die breiten, ungleichmäßigen Räume zwischen den einzelnen Trutzen bildeten die Straßen von Capustan. Lediglich im Tempel-Distrikt, dem Gebiet um die alte Daru-Festung herum – die jetzt

Weitere Kostenlose Bücher