SdG 04 - Die eisige Zeit
der Knecht genannt wurde und den Maskenrat beherbergte – war das anders; nur hier fand sich ein Straßensystem, das dem der Daru ähnelte.
Die Trutze waren, wie Itkovian vermutete, früher einmal Lagerplätze gewesen. Befestigte Lagerplätze der Stämme, deren Bewohner durch verwandtschaftliche Bande eng miteinander verwoben waren. Am Ufer des Catlin gelegen und von seefahrenden Völkern umgeben, war dieser Ort bald zu einem Handelszentrum geworden, das zur sesshaften Lebensweise ermutigte. Das Ergebnis war eine der merkwürdigsten Städte, die Itkovian jemals gesehen hatte. Breite, offene, von geschwungenen Mauern begrenzte Plätze und Straßen; dazwischen wahllos Ansammlungen von Begräbnis-Stelen und von Sandgruben umgebene Teiche. Auf den gewundenen freien Flächen von Capustan bewegten sich die Bürger der Stadt, Daru und Capan; Erstere in Kleidern, deren unterschiedliche Stile und Muster ihrer Tradition entsprachen – nicht zwei waren gleich gekleidet –, während Letztere die leuchtenden Farben ihrer Familien trugen. Alle zusammen bildeten einen bunten Strom in den Straßen, der in scharfem Kontrast zu den schlichten, nicht bemalten Gebäuden stand. Die Schönheit von Capustan liegt in den Bewohnern dieser Stadt, nicht in ihren Bauwerken … Sogar die Daru-Tempel hatten sich dem örtlichen bescheidenen architektonischen Stil angepasst. Das Ganze hatte einen Effekt unaufhörlicher Bewegung, die die starre, schlichte Umgebung dominierte. Die Stämme der Capan feierten sich selbst, waren die Farben in einer eintönigen Welt.
Die einzigen unbekannten Größen in Itkovians Szenario waren die alte Festung, die die Grauen Schwerter in Besitz genommen hatten, und Jelarkans Palast. Die alte Festung war von Unbekannten erbaut worden, noch bevor die Daru oder die Capan hierher gekommen waren, und sie war fast im Schatten des Palasts errichtet worden.
Jelarkans Festung unterschied sich von allen anderen Bauwerken, die Itkovian in seinem Leben gesehen hatte. Sie war das älteste Gebäude der Stadt, und ihre strenge Architektur wirkte durch und durch fremd und merkwürdig abweisend. Zweifellos hatte das Herrschergeschlecht von Capustan sie wegen ihrer Auffälligkeit als Sitz ausgewählt, und nicht etwa, weil sie besonders leicht zu verteidigen gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Die steinernen Wände waren gefährlich dünn, und da die Festung weder Fenster noch Flachdächer besaß, waren jene, die sich in ihrem Innern befanden, vollkommen blind für das, was sich draußen abspielte. Und was noch schlimmer war, es gab nur einen Eingang – eine breite Rampe, die in einen Hof führte. Frühere Fürsten hatten Wachhäuser zu beiden Seiten des Eingangs und einen Laufgang auf den Mauern des Hofs errichten lassen. Anbauten an den Palast hatten die Angewohnheit, zusammenzubrechen – die Oberfläche der alten Palastmauern nahm aus irgendeinem Grund keinen Mörtel an, und man glaubte nicht, dass die Wände stark genug waren, um eine spürbare zusätzliche Last zu tragen. Alles in allem war es ein mehr als merkwürdiges Bauwerk.
Nachdem die Truppe die Stadt durch das belebte Haupttor verlassen hatte – ein Fleck aus rauem schwarzem Eisen und dunklem Leder inmitten von Strömen satter Farben –, wandte sie sich nach rechts. Zunächst ging es ein kurzes Stück die südliche Karawanenstraße entlang, doch sobald sie offenes Gelände erreichten, bogen sie scharf nach Westen ab und ritten hinaus auf die unbewohnte Ebene, vorbei an den wenigen Bauernhöfen mit Ziegen, Schafen oder Vieh und den niedrigen Steinmauern, die die Landschaft durchzogen.
Je weiter sie ins Landesinnere vordrangen, desto mehr lockerte sich die Wolkendecke auf, bis sich schließlich, als sie um die Mittagszeit vierzehn Längen von Capustan entfernt Halt machten, ein strahlend blauer Himmel über ihnen wölbte. Die Pause war kurz, und die dreißig Soldaten sprachen kaum, während sie eine kurze Mahlzeit zu sich nahmen. Bisher waren sie auf keinerlei Spuren gestoßen, was um diese Zeit – so kurz vor dem Höhepunkt der Karawanensaison – mehr als ungewöhnlich war.
Während die Grauen Schwerter ihre Ausrüstung wieder zusammenpackten, richtete der Schild-Amboss das erste Mal, seit sie ihre Unterkünfte verlassen hatten, das Wort an sie. »Leichter Galopp, Raubvogel-Formation. Vorreiterin Sidlis zwanzig Pferdelängen voraus. Achtet auf Spuren.«
Eine Soldatin – eine junge Akolythin und der einzige Rekrut der Kompanie – fragte: »Nach was für Spuren
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