SdG 04 - Die eisige Zeit
die Länge zog, während die beiden Männer da saßen und einander ansahen. Nach einiger Zeit streckte sich Elster langsam auf seinem Stuhl, während ihn eine Ahnung beschlich. »Ich nehme an«, sagte er schließlich, während er den Wein in seinem Pokal eingehend betrachtete, »der Schnelle Ben hat Euch neugierig gemacht.«
Anomander Rake neigte den Kopf. »Selbstverständlich«, erwiderte er. Sein Tonfall war nicht nur fragend, sondern verriet auch seine leise Überraschung.
»Ich bin ihm das erste Mal im Reich der Sieben Städte begegnet … in der Heiligen Wüste Raraku, genauer gesagt«, erklärte Elster und beugte sich vor, um die beiden Pokale erneut zu füllen. Er lehnte sich wieder zurück, ehe er fortfuhr. »Es ist eine ziemlich lange Geschichte, daher hoffe ich, dass Ihr geduldig sein könnt.«
Rakes Antwort bestand aus einem dünnen Lächeln.
»Gut. Ich glaube, es lohnt sich.« Elster ließ seine Blicke durch das Zelt wandern, bis sie auf die Laterne fielen, die von einer Zeltstange baumelte. Er starrte in die schwache, flackernde Flamme. »Der Schnelle Ben. Adaephon Delat, ein mittelmäßiger Magier, der zum Zeitpunkt einer erfolglosen Rebellion, die in Aren ihren Ursprung hatte, in Diensten eines der Sieben Heiligen Beschützer stand. Delat und elf andere Magier haben den Kader des Beschützers gebildet. Die Zauberer unserer Belagerungsarmee waren ihnen deutlich überlegen – Bellurdan, Nachtfrost, Tayschrenn, A`Karonys, Tesormalandis, Stummel – eine Furcht erregende Schar, die dafür bekannt war, dem Willen des Imperators brutal Geltung zu verschaffen. Nun, die Stadt, in der der Beschützer sich verkrochen hatte, wurde erobert, die Mauern geschleift, es gab Gemetzel in den Straßen, der Wahnsinn der Schlacht hatte uns alle ergriffen. Dassem hat den Heiligen Beschützer niedergehauen – Dassem und seine Bande von Anhängern, die er sein Erstes Schwert genannt hat –, sie haben sich ihren Weg durch die Reihen der Feinde gewühlt. Als die Kadermagier des Beschützers sahen, wie ihr Herr getötet und ihre Armee vernichtet wurde, sind sie geflohen. Dassem hat meiner Kompanie befohlen, sie zu verfolgen, hinaus in die Wüste. Unser Führer war ein Einheimischer, ein Mann, der erst kürzlich für unsere Klaue rekrutiert worden war …«
Kalam Mekhars breites, mitternachtsdunkles Gesicht glänzte vor Schweiß. Elster beobachtete den Mann, als er sich im Sattel umdrehte, sah, wie die breiten Schultern unter der staubigen, schmutzigen Telaba herabsackten.
»Sie bleiben zusammen«, sagte der Führer mit grollender Stimme. »Ich hätte gedacht, sie würden sich trennen … und Euch dadurch zwingen, das Gleiche zu tun, Kommandant. Oder Euch zu entscheiden. Die Spur führt hinaus, Kommandant, hinaus ins Herz der Raraku.«
»Wie weit sind sie vor uns?«, fragte Elster.
»Einen halben Tag, nicht mehr. Und sie sind zu Fuß.«
Der Kommandant blinzelte in den ockergelben Dunst der Wüste. Hinter ihm ritten siebzig Soldaten, eine zusammengeschusterte Truppe aus Seesoldaten, Pionieren, Infanteristen und Kavalleristen; alle stammten aus Trupps, die praktisch nicht mehr existierten. Die meisten hatten drei Jahre lang Belagerungen, Schlachten und Verfolgungsjagden mitgemacht. Sie waren diejenigen, auf die man nach Dassem Ultors Meinung verzichten konnte – diejenigen, die, wenn nötig, geopfert werden konnten.
»Kommandant«, sagte Kalam, und die Stimme des Führers unterbrach seine Gedanken, »die Raraku ist eine heilige Wüste. Ein Ort der Macht …«
»Führ uns weiter«, grollte Elster.
Staubteufel wirbelten auf unberechenbaren Pfaden über die kahle, unfruchtbare Ebene. Die Truppe ritt im Trab, zwischendurch ließen sie die Pferde auch immer wieder kurze Zeit im Schritt gehen. Die Sonne stieg höher. Irgendwo hinter ihnen brannte immer noch eine Stadt, vor sich jedoch sahen sie eine ganze Landschaft, die von Feuer erleuchtet schien.
Am frühen Nachmittag stießen sie auf die erste Leiche. Ein zusammengekrümmtes Bündel, eine zerfetzte, angesengte Telaba, die im heißen Wind flatterte, und darunter eine verdorrte Gestalt, den Kopf dem Himmel zugewandt, leere Höhlen, wo einst die Augen gewesen waren. Kalam stieg ab und untersuchte die Leiche lange. Schließlich erhob er sich und blickte Elster an. »Ich glaube, es ist Kebharla. Sie war eher eine Gelehrte als eine Magierin, hat Geheimnisse ergründet. Kommandant, etwas an dem Ganzen ist merkwürdig – «
»Tatsächlich?«, entgegnete Elster
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