SdG 04 - Die eisige Zeit
gesehen, Kommandant?
Verdammt wenig. Ich war der Leibwächter eines Heiligen Falah’d in Aren – «
»Leibwächter? Warum drum herum reden? Du warst sein persönlicher Assassine.«
»Was ich eigentlich sagen wollte, Kommandant, ist, dass meine Reise gerade erst begonnen hat. Ihr – Eure Soldaten – was Ihr schon alles gesehen, was Ihr schon alles durchgemacht habt …« Er schüttelte den Kopf »Es ist alles da, in Euren Augen.«
Elster musterte den Mann. Die Stille dehnte sich aus.
Kalam nahm den Topf vom Feuer und füllte zwei Becher mit dem nach Medizin schmeckenden Gebräu, reichte einen davon dem Kommandanten. »Morgen werden wir sie einholen.«
»Ach ja? Wir sind den ganzen Tag durchgeritten, und wir waren doppelt so schnell wie ein marschierender Soldat. Wie viel Abstand haben wir auf diese verdammten Magier gutgemacht? Einen Glockenschlag? Zwei? Sie benutzen Gewirre.« Der Assassine runzelte die Stirn und schüttelte dann langsam den Kopf. »Dann hätte ich ihre Spur verloren, Kommandant. Wenn sie erst einmal ein Gewirr betreten hätten, wären alle Hinweise verschwunden.«
»Ja. Aber die Fußspuren führen weiter, ohne Unterbrechung. Warum ist das so?«
Kalam blinzelte ins Feuer. »Ich habe keine Ahnung, Kommandant.«
Elster trank den bitteren Tee aus, ließ den Zinnbecher neben dem Assassinen zu Boden fallen und ging.
Tag folgte auf Tag, die Verfolgung führte sie durch die zerklüfteten Hohlwege, durch Schluchten und Spalten der Hügel. Weitere Leichen wurden entdeckt, ausgetrocknete Gestalten, die Kalam eine nach der anderen identifizierte: Renisha, ein Hoch-Meanas-Zauberer; Keluger, ein Septim-Priester von D’riss, dem Wurm des Herbstes; Narkal, ein Magier-Krieger, Fener verschworen und Anwärter auf die Position des Todbringenden Schwerts; Ullan, der Wechselgänger und Priester Solieis.
Die Entbehrungen forderten ihren Tribut von den Verfolgern.
Pferde starben, wurden geschlachtet und gegessen. Die überlebenden Tiere wurden immer dünner, richtig ausgemergelt. Hätte die Spur der Magier Kalam und die anderen nicht unbeirrbar von einer verborgenen Quelle zur nächsten geführt, wären sie alle in der unbarmherzigen Ödnis der Raraku zu Grunde gegangen.
Set’alahd Crool, ein Jhag-Halbblut, der einst Dassem Ultor in einem wilden Gegenangriff ein halbes Dutzend Schritte zurückgetrieben hatte, mit einem Schwert, das vom Segen eines unbekannten Aufgestiegenen in Flammen gestanden hatte; Etra, eine Herrin des Rashan-Gewirrs; Birith’erah, ein Magier des Serc-Gewirrs, der Stürme vom Himmel herabbeschwören konnte; Gellid, eine Hexe des Tennes-Gewirrs …
Und jetzt war nur noch einer übrig, ihnen immer voraus, schwer zu fassen; dass er überhaupt noch da war, war nur an den leichten Fußspuren zu erkennen, die er zurückließ.
Die Jäger waren jetzt von Stille umgeben. Der Stille der Raraku. Waren gehärtet, geschärft, gestählt unter der Sonne. Die Pferde unter ihnen waren ihnen gleich, mager und trotzig, unermüdlich und mit wildem Blick.
Elster brauchte lange, um zu erkennen, was er in Kalams Gesicht sah, wenn der Assassine ihn und seine Soldaten anschaute, brauchte lange, um zu begreifen, dass in den schmalen Augen des Assassinen Unglauben, Respekt und mehr als nur ein bisschen Angst zu sehen war. Doch auch Kalam selbst hatte sich verändert. Er hatte sich auf dieser Reise nicht weit von dem Land entfernt, das er seine Heimat nannte, doch eine ganze Welt war an ihm vorbeigezogen.
Die Raraku hatte von ihnen allen Besitz ergriffen.
Eine steile, felsige Rinne hinauf, durch einen Spalt mit fleckigen, von Löchern übersäten Kalksteinwänden, der durch Erosion entstanden war, und dann hinaus in ein natürliches Amphitheater, und dort, auf einem Felsblock auf der gegenüberliegenden Seite der offenen Fläche, saß der letzte Magier im Schneidersitz auf einem Felsblock und wartete.
Er hatte nur noch Fetzen am Leib, war völlig ausgemergelt, seine dunkle Haut war rissig und schälte sich, seine Augen glitzerten so hart wie Obsidian.
Als Kalam sein Pferd zügelte, schien das eine quälende Anstrengung zu sein. Er schaffte es, das Tier zu wenden und Elster in die Augen zu blicken. »Adaephon Delat, ein Magier von Meanas«, sagte er. Seine Stimme war ein knochentrockenes Raspeln. Dann verzog er die aufgesprungenen Lippen zu einem Grinsen. »Er hat nie viel getaugt, Kommandant. Ich bezweifle, dass er in der Lage sein wird, sich zu verteidigen.«
Elster sagte nichts. Er lenkte sein Pferd
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