SdG 04 - Die eisige Zeit
Lichtschein der Laterne. Ihre violetten Augen richteten sich auf Elster. »Kommandant, mein Lord ersucht um das Vergnügen Eurer Gesellschaft.«
Elster zog die Brauen hoch. »Jetzt? Nun gut, ich nehme die Einladung an.« Er stand langsam auf, schonte dabei sein schlimmes Bein.
»Ich kriege es schon noch raus«, sagte der Schnelle Ben und warf Kruppe einen düsteren Blick zu.
»Kruppe leugnet die Existenz schwer fassbarer Komplexität in Bezug auf sich selbst, lästiger Magier. Einfachheit ist Kruppes Herrin – in freudigem Komplott natürlich mit seinem lieben Weib, der Wahrheit. Dauerhaft und loyal in gegenseitiger Treue hat diese glückliche Dreiergruppe – «
Er redete immer noch, als Elster das Zelt verließ und sich mit Korlat auf den Weg ins Lager der Tiste Andii machte. Nach ein paar Minuten warf der Kommandant der Frau an seiner Seite einen Blick zu. »Ich hatte eigentlich gedacht, Euer Herr sei bereits fort – er ist seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen worden.«
»Er wird uns noch einige Zeit Gesellschaft leisten«, sagte Korlat. »Anomander Rake hat wenig Geduld für Besprechungen und ähnliche Dinge. Scharteke sorgt dafür, dass er über alle Entwicklungen unterrichtet ist.«
»Dann bin ich neugierig – was könnte er von mir wollen?«
Sie lächelte schwach. »Das soll mein Lord Euch selbst sagen, Kommandant.«
Daraufhin schwieg Elster.
Das Zelt des Ritters des Hauses Dunkel war von den anderen Zelten der Tiste Andii nicht zu unterscheiden; es stand mitten in einer Reihe und war unbewacht. In seinem Innern brannte eine einzige Laterne. Korlat blieb vor der Zeltklappe stehen. »Meine Aufgabe ist beendet. Ihr könnt eintreten, Kommandant.«
Anomander Rake saß in einem zusammenklappbaren, lederbezogenen Feldstuhl, die langen Beine von sich gestreckt. Ihm gegenüber stand ein leerer zweiter Stuhl von gleicher Machart, und etwas zur Seite hin versetzt – aber in Reichweite beider Stühle –, befand sich ein kleiner Tisch mit einer Weinkaraffe und zwei Pokalen.
»Ich danke Euch, dass Ihr gekommen seid«, sagte der Ritter des Dunkels. »Bitte, macht es Euch bequem.«
Elster ließ sich auf den Stuhl sinken.
Rake beugte sich vor und füllte die beiden Pokale, reichte einen davon dem Kommandanten, der ihn dankbar entgegennahm. »Aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet«, sagte der Tiste Andii, »kann selbst das Leben eines Sterblichen lang erscheinen. Erfüllend. Worüber ich im Moment nachsinne, ist die Natur des Zufalls. Männer und Frauen, die – für eine gewisse Zeit – im Gleichschritt marschieren, auf parallelen Pfaden. Deren Leben sich berühren, wie kurz auch immer, und die dieser zufällige Kontakt verändert.«
Elster musterte den Mann, der ihm gegenübersaß, aus halb geschlossenen Augen. »Ich betrachte Veränderungen nicht als besonders bedrohlich, Lord.«
»Rake reicht. Was Euren Standpunkt angeht, so stimme ich Euch zu … meistens. Innerhalb des Führungsstabs gibt es Spannungen, über die Ihr Euch sicher völlig im Klaren seid.«
Der Malazaner nickte.
Rakes verschleierter Blick richtete sich für einen Augenblick klar und scharf auf Elster, dann wandte der Tiste Andii die Augen wieder ab. »Bedenken. Lang im Zaum gehaltene Wünsche, die jetzt überstrapaziert werden. Alte und neue Rivalitäten. Die Situation hat den Effekt, zu … trennen. Jeden einzelnen, jede einzelne von uns von allen anderen zu trennen. Doch wenn wir uns treu bleiben, kehren unsere Instinkte wieder zurück und verschaffen sich Gehör, und sie flüstern von … Hoffnung.« Die außergewöhnlichen Augen richteten sich erneut auf den Kommandanten, ein Blickwechsel, der genauso kurz war wie der erste.
Elster holte tief Luft. »Und die Natur dieser Hoffnung?«
»In dem Augenblick, da Leben sich, wie kurzfristig auch immer, berühren, teilen mir meine Instinkte mit, wem ich trauen kann. Nehmen wir zum Beispiel Ganoes Paran. Wir sind uns das erste Mal auf dieser Ebene begegnet, gar nicht weit von dort, wo wir jetzt lagern. Er war ein Werkzeug Oponns, war im Begriff, zwischen den Kiefern von Schattenthrons Hunden zu sterben. Ein Sterblicher, in dessen Augen ganz klar und deutlich seine Niederlage geschrieben stand. Ob er leben oder sterben würde, war mir gleichgültig; sein Schicksal hat mir nichts bedeutet. Doch …«
»Ihr habt ihn gemocht.«
Rake lächelte, trank einen Schluck Wein. »Ja, das ist wohl eine zutreffende Zusammenfassung.«
Daraufhin wurde es still im Zelt, eine Stille, die sich in
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