SdG 04 - Die eisige Zeit
zusammengesucht aus dem Ausschuss der Armee, hatte sich jetzt in einen leuchtenden, harten Kern verwandelt. »Bei den Göttern«, flüsterte er unhörbar, »was haben wir getan.«
Die erste Kampfhandlung der Brückenverbrenner war die Rückeroberung G’danisbans – ein Magier, ein Assassine und siebzig Soldaten, die in eine von den Rebellen gehaltene Festung mit vierhundert Wüstenkriegern eindrangen und die Gegner in einer einzigen Nacht zerschmetterten.
Die Laterne war heruntergebrannt, doch durch die Zeltwände sickerte das erste Grau der Morgendämmerung. Die Geräusche eines erwachenden Feldlagers, das sich auf den Marsch vorbereitete, wurden allmählich lauter und füllten die Stille, die auf Elsters Geschichte gefolgt war.
Anomander Rake seufzte. »Seelenwanderung.«
»Ja.«
»Ich habe davon gehört, dass eine Seele gewandert ist – dass sie in ein Gefäß geschickt wurde, das für sie vorbereitet worden war. Aber elf Seelen – elf Magier – in den bereits besetzten Körper eines zwölften wandern zu lassen …«Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist in der Tat dreist. Ich verstehe jetzt, warum der Schnelle Ben mich gebeten hat, ihn nicht weiter zu erforschen.« Er hob den Blick. »Doch jetzt, in dieser Nacht, habt Ihr mir sein Geheimnis enthüllt. Ich habe nicht gefragt – «
»Wenn Ihr gefragt hättet, wäre dies bereits eine Mutmaßung gewesen, Lord«, erwiderte Elster.
»Dann habt Ihr mich also verstanden.«
»Instinkt«, sagte der Malazaner lächelnd. »Auch ich traue dem meinen, Anomander Rake.«
Der Tiste Andii erhob sich von seinem Stuhl.
Elster tat es ihm gleich.
»Ich war überaus beeindruckt«, sagte Rake, »als Ihr Euch hingestellt habt und bereit wart, das Kind Silberfuchs zu verteidigen.«
»Und ich war meinerseits beeindruckt, als Ihr Euch zurückgehalten habt.«
»Ja«, murmelte der Ritter des Dunkels. Er blickte plötzlich an Elster vorbei, und eine nachdenkliche Falte bildete sich auf seiner Stirn. »Das Geheimnis des Pausbäckigen …«
»Bitte?«
Der Tiste Andii lächelte. »Ich habe mich gerade an meine erste Begegnung mit dem Mann namens Kruppe erinnert.«
»Ich fürchte, Lord, dieser Kruppe ist ein Geheimnis, zu dem ich absolut nichts Enthüllendes beitragen kann. Ganz im Gegenteil glaube ich sogar, dass ein solcher Versuch wahrscheinlich über unser aller Kräfte ginge.«
»Damit könntet Ihr Recht haben, Elster.«
»Der Schnelle Ben bricht heute früh auf, um sich Paran und den Brückenverbrennern anzuschließen.«
Rake nickte. »Ich werde mich bemühen, mich von ihm fern zu halten, damit er nicht nervös wird.« Einen Augenblick später streckte der Tiste Andii die Hand aus.
Sie ergriffen jeweils das Handgelenk des anderen.
»Ein angenehmer Abend ist gerade zu Ende gegangen«, sagte Rake.
Elster verzog das Gesicht. »Ich bin nicht besonders gut darin, unterhaltsame Geschichten zu erzählen. Daher weiß ich Eure Geduld zu würdigen.«
»Vielleicht kann ich an einem anderen Abend das Gleichgewicht wiederherstellen – auch ich habe ein paar Geschichten zu erzählen.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, brachte Elster heraus.
Sie ließen einander los, und der Kommandant wandte sich dem Eingang des Zelts zu.
Hinter ihm meldete sich Rake noch einmal zu Wort. »Eines noch. Silberfuchs hat von mir nichts zu befürchten. Und ich werde auch Kallor entsprechende Anweisungen erteilen.«
Elster starrte einen Augenblick lang zu Boden. »Ich danke Euch, Lord«, sagte er schwer atmend, dann ging er hinaus.
Bei den Göttern hienieden, ich habe heute Nacht einen Freund gefunden. Wann bin ich das letzte Mal über ein solches Geschenk gestolpert? Ich kann mich nicht erinnern. Beim Atem des Vermummten, ich kann mich nicht daran erinnern.
Anomander Rake stand am Zelteingang und sah dem alten Mann nach, der zwischen den Zelten davonhinkte.
Das sanfte Klacken krallenbewehrter Füße wurde hinter ihm laut. »Herr«, murmelte Scharteke, »war das weise?«
»Was meinst du?«, fragte er gedankenverloren.
»Man muss einen Preis bezahlen, wenn man Freundschaft mit einem von diesen kurzlebigen Sterblichen schließt – wie du anhand deiner eigenen, typischerweise tragischen Erinnerungen sehr wohl bestätigen kannst.«
»Sei vorsichtig, alte Hexe.«
»Willst du etwa die Wahrheit meiner Worte leugnen?«
»Man kann auch in der Kürze etwas sehr Wertvolles finden.«
Die Matriarchin der Großen Raben neigte den Kopf. »Eine ehrliche Beobachtung? Oder eine
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