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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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gefährliche Ermahnung? Verzerrtes und von allzu viel Unglück belastetes Wissen? Ich glaube nicht, dass du es weiter ausführen wirst. Das wirst du doch nicht, oder? Du wirst mich mit all meinen Fragen zurücklassen, auf dass ich in gereizter Besessenheit endlos herumpicke! Du Schwein!«
    »Riechst du das Aas in der Brise, meine Liebe? Ich schon, ich könnte es schwören. Warum fliegst du nicht los und suchst es? Jetzt gleich. Sofort. Und wenn du dir den Bauch voll geschlagen hast, suche Kallor und bringe ihn zu mir.«
    Mit einem Zischen hüpfte der Große Rabe nach draußen, breitete rasch die Flügel aus und schwang sich himmelwärts.
    »Korlat«, murmelte Rake. »Komm bitte zu mir.« Er wandte sich wieder vom Zelteingang ab. Augenblicke später betrat Korlat das Zelt. Rake starrte weiterhin die hintere Zeltwand an.
    »Lord?«
    »Ich werde für eine kurze Zeit fortgehen. Ich brauche Silannahs Trost.«
    »Sie wird Eure Rückkehr willkommen heißen, Lord.«
    »Nur einige wenige Tage, nicht mehr.«
    »Ich habe verstanden.«
    Rake blickte sie an. »Weite deinen Schutz auf Silberfuchs aus.«
    »Diese Anweisung stimmt mich froh.«
    »Und setze außerdem unsichtbare Beobachter auf Kallor an. Sollte er auf Abwege geraten, gib mir unverzüglich Bescheid, aber zögere nicht, die ganze Macht der Tiste Andii auf ihn herabzubeschwören. Zumindest kann ich dann dabei sein, wenn seine Stückchen zusammengesucht werden.«
    »Die ganze Macht der Tiste Andii, Lord? Das haben wir schon sehr, sehr lange nicht mehr getan. Glaubt Ihr, dass das notwendig sein wird, um Kallor zu vernichten?«
    »Ich kann mir nicht sicher sein, Korlat. Warum ein Risiko eingehen?«
    »Nun gut. Ich werde mit den Vorbereitungen für die Verbindung unserer Gewirre beginnen.«
    »Ich sehe, dass du trotzdem besorgt bist.«
    »Es gibt elfhundert Tiste Andii, Lord.«
    »Das weiß ich, Korlat.«
    »Beim Anketten waren nur vierzig von uns dabei, und doch haben wir die ganze Sphäre des Verkrüppelten Gottes zerstört – gut, zugegeben, es war eine gerade erst im Entstehen begriffene Sphäre. Trotzdem, Lord. Elfhundert … wir riskieren die Vernichtung dieses ganzen Kontinents.«
    Rakes Augen verschleierten sich. »Ich würde eine gewisse Zurückhaltung empfehlen, falls es tatsächlich notwendig werden sollte, Kurald Galain gemeinsam zu entfesseln, Korlat. Bruth wäre nicht gerade begeistert. Ich vermute allerdings, dass Kallor ohnehin nichts Überstürztes tun wird. Dies sind alles nur Vorsichtsmaßnahmen.«
    »Ich verstehe.«
    Er drehte sich wieder um. »Das wäre alles, Korlat.«
     
    Die Mhybe träumte. Einmal mehr – nach so langer Zeit – wanderte sie über die Tundra; Flechten und Moos knirschten unter ihren Füßen, während ein trockener Wind, der nach totem Eis roch, über sie hinwegwehte. Sie ging ohne Schmerzen, hörte kein Rasseln in ihrer Brust, als sie tief die frische Luft einsog. Wie sie feststellte, war sie an den Ort zurückgekehrt, an dem ihre Tochter geboren worden war.
    Teilanns Gewirr, ein Ort, der nicht irgendwo ist, sondern irgendwann. Die Zeit der Jugend. Für die Welt. Für mich.
    Sie hob die Arme, sah ihre bernsteinfarbene Glätte; die Sehnen und Adern ihrer Hände waren unter dem gerundeten Fleisch kaum zu erkennen.
    Ich bin jung. Ich bin so, wie ich sein sollte.
    Dies war kein Geschenk. Nein, es war eine Folter. Sie wusste, dass sie träumte; sie wusste, was sie erblicken würde, wenn sie erwachte.
    Eine kleine Herde uralter, längst ausgestorbener Tiere ließ leisen Donner durch die harte Erde unter ihren Mokassins grollen; sie rannten parallel zu dem Pfad, den sie gewählt hatte, den Kamm entlang, und ihre buckligen Rücken tauchten dann und wann über der Kante auf – eine verwaschene Bewegung aus verbranntem Dunkelbraun. Etwas rührte sich in ihrem Innern, ein stummes Frohlocken als Antwort auf die majestätische Erscheinung dieser Kreaturen.
    Verwandte der Bhederin, nur größer, mit Hörnern, die zu den Seiten hin ragen, riesig, königlich.
    Sie schaute nach unten und blieb stehen. Spuren kreuzten ihren Weg. Fellumwickelte Füße waren über die spröden Flechten gestapft. Acht, neun Wesen.
    Imass aus Fleisch und Blut? Der Knochenwerfer Pran Chole und seine Gefährten? Wer wandert diesmal durch die Gefilde meiner Träume?
    Blinzelnd öffnete sie die Augen. Um sie herum war muffige Dunkelheit. Dumpfer Schmerz hüllte ihren hageren Körper ein. Knorrige Hände zogen die Felle gegen die Kühle weiter hoch bis zum Kinn. Sie

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