SdG 04 - Die eisige Zeit
durch die Mokassins des Magiers. Ein schwaches, farbloses Licht strömte von einem formlosen Himmel, der nicht höher als eine Zimmerdecke zu sein schien. Der Dunst, der in der Luft schwebte, fühlte sich ölig an und war an den Seiten so dicht, dass er den Pfad wie einen Tunnel erscheinen ließ.
Die Schritte des Schnellen Ben wurden langsamer. Der Lehmboden war nicht mehr weich. Tiefe Kerben verliefen kreuz und quer - Glyphen, die in Feldern und Spalten angeordnet waren. Der Magier vermutete, dass es sich um primitive Schriftzeichen handelte, aber … Er hockte sich hin und ließ die Hand über die Zeichen gleiten. »Ganz frisch … oder aber zeitlos.« Ein leichtes Prickeln ließ ihn die Hand zurückziehen. »Vielleicht Schutzzauber. Oder magische Bande.«
Der Schnelle Ben trottete weiter, achtete jedoch sorgfältig darauf, wo er die Füße aufsetzte, um nicht auf die Glyphen zu treten.
Er umging eine breite, mit bemalten Kieselsteinen gefüllte Doline; hierbei handelte es sich zweifellos um die Opfergaben eines Tempels an den Vermummten – Segenssprüche und Gebete in Tausenden von Sprachen von unzähligen Bittstellern. Und da liegen sie jetzt. Unbemerkt, unbeachtet oder vergessen. Selbst Schreiber sterben, Vermummter – warum sich nicht ihrer bedienen und sie das alles aufräumen lassen? Von all unseren Charakterzügen, mit denen wir irgendwie versuchen, den Tod zu überleben, muss Zwanghaftigkeit einer der bedeutendsten sein.
Die Kerben wurden größer und häufiger, zwangen den Magier, noch langsamer weiterzugehen. Es wurde allmählich schwierig, eine Stelle zu finden, wo er auftreten konnte. Zauberbande – die Manifestation der geflüsterten Stränge der Macht, hier, auf dem Fußboden der Sphäre des Vermummten.
Ein Dutzend Schritte weiter entdeckte er ein kleines, verwahrlostes Objekt, von Glyphen umgeben. Bens Stirnrunzeln vertiefte sich, als er sich näher heranschob. Als wollte jemand Feuer machen … Stöckchen und verdrehte Gräser auf einem runden, farblosen Herdstein.
Dann sah er, dass das Ding zitterte.
Ah, die bindenden Zaubersprüche sind für dich, mein Kleiner. Deine Seele ist gefangen. Das, was ich vor einiger Zeit mit diesem Magier namens Locke gemacht habe, hat jemand mit dir getan. Trotzdem ist das alles irgendwie eigenartig. Er schob sich so nahe an das Objekt heran wie möglich, ging dann langsam in die Hocke.
»Du siehst ein bisschen mitgenommen aus, mein Freund«, sagte der Magier.
Der winzige, aus einer Eichel bestehende Kopf drehte sich ein wenig und zuckte dann zurück. »Sterblicher!«, zischte die Kreatur in der Sprache der Barghast. »Die Clans müssen es erfahren! Ich kann nicht weitergehen – sieh doch, die Zauber haben mich verfolgt, die Zauber haben die Falle zuschnappen lassen – ich bin gefangen!«
»Das sehe ich. Du warst einer von den Weißgesichtern, Schamane?«
»Das bin ich immer noch!«
»Doch du bist aus deinem Grab geflohen – du bist den bindenden Sprüchen deiner Verwandten entkommen, zumindest für einige Zeit. Glaubst du wirklich, sie werden dich willkommen heißen, wenn du zu ihnen zurückkehrst, Alterchen?«
»Ich wurde aus meinem Grab herausgezerrt, du Narr! Du bist zu den Clans unterwegs – ich weiß, dass es so ist, ich sehe es in deinen Augen. Ich werde dir meine Geschichte erzählen, Sterblicher, und damit sie wissen, dass das, was du ihnen erzählst, die Wahrheit ist, werde ich dir meinen wahren Namen mitteilen – «
»Ein kühnes Angebot, Alterchen. Was sollte mich denn dann noch davon abhalten, dich meinem Willen zu unterwerfen?«
Die Kreatur zuckte zusammen, und in ihrer Stimme schwang ein Knurren mit, als sie antwortete: »Du kannst nicht schlimmer sein als meine letzten Herren. Ich bin Talamadas, geboren im Ersten Heim des Geknoteten Clans. Das erste Kind, das in diesem Land geboren wurde – verstehst du die Bedeutung dieser Tatsache, Sterblicher?«
»Ich fürchte nicht, Talamandas.«
»Meine vorherigen Meister – diese verdammten Nekromanten – hatten alles darangesetzt, Sterblicher, waren nur noch Augenblicke davor, meinen wahren Namen zu entdecken – sie hatten alles darangesetzt, kann ich dir sagen, mit brutalen Klauen, denen Schmerz nichts bedeutet hat. Mit meinem Namen hätten sie auch Geheimnisse erfahren, die selbst mein eigenes Volk schon lang vergessen hat. Kennst du die Bedeutung der Bäume auf unseren Gräbern? Nein, du kennst sie nicht. Es stimmt, sie halten die Seele fest, halten sie davon ab, herumzuwandern
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