SdG 04 - Die eisige Zeit
Spuren … das heißt, wenn jemand mit einem Streitkolben dagegen schlägt.
Stirnrunzelnd verlangsamte Lady Missgunst ihren Schritt und drehte sich dann zu dem Priester um. »Habt Ihr nicht gesagt, der Hohepriester erwartet uns?«
Der dürre Mann lächelte. »Und das tut er auch, Herrin.« Er verbeugte sich in Richtung des Kriegers. »Das ist Domänenser Kahlt, der Herr dieses Tempels. Die Domänenser sind die Begabten unter den Kindern des Pannionischen Sehers. Krieger ohnegleichen, doch ebenso auch Gelehrte. Und nun, um die Vorstellung vollständig zu machen, würdet Ihr mir die Ehre gewähren, Eure Namen zu nennen?«
»Ich bin Lady Islah’Dracon«, sagte Lady Missgunst, den Blick auf den Domänenser gerichtet. »Mein Begleiter wird Toc der Jüngere genannt; meine Leibwächter Senu, Thurule, und der, der gerade schläft, ist Mok. Wollt Ihr auch die Namen meiner Schoßtiere hören?«
Die habt Ihr doch gerade genannt, oder?
Der Priester schüttelte den Kopf. »Das wird nicht nötig sein, Tieren ohne Verstand wird in der Domäne kein Respekt gezollt. Vorausgesetzt, dass Ihr sie unter Kontrolle habt, werden sie um der Gastfreundschaft willen toleriert. Ich danke Euch, dass Ihr uns Euch und Eure Begleiter vorgestellt habt, Lady. Ich werde Euch jetzt verlassen.« Nach einer weiteren Verbeugung drehte er sich um und humpelte zu einer kleinen Seitentür.
Domänenser Kahlt machte einen Schritt vorwärts; seine Rüstung rasselte leise. »Setzt Euch«, sagte er. Seine Stimme klang sanft und ruhig. »Es kommt nicht oft vor, dass uns die Ehre gewährt wird, Gäste begrüßen zu können.«
Lady Missgunst wölbte eine Augenbraue. »Nicht oft?«
Kahlt lächelte. »Nun ja, tatsächlich seid Ihr die ersten. Die Pannionische Domäne ist ein isoliertes Land. Uns besuchen nur wenige, und kaum einer von ihnen mehr als einmal. Natürlich gibt es auch einige, denen Weisheit zuteil wird und die so den Glauben annehmen, und diese werden als Brüder und Schwestern willkommen geheißen. Der Lohn ist groß, wenn man in die Arme des Glaubens sinkt.« Seine Augen glitzerten. »Es ist mein inbrünstiger Wunsch, dass auch Euch ein solches Geschenk zuteil werden möge.«
Toc und Lady Missgunst ließen sich auf den Kissen nieder. Baaljagg und Garath blieben bei den Seguleh, die direkt beim Eingang standen.
Domänenser Kahlt setzte sich seinen Gästen gegenüber. »Einer Eurer Diener ist krank?«, fragte er. »Soll ich nach einem Heiler schicken, Lady?«
»Das ist nicht nötig. Mok wird sich rechtzeitig wieder erholen. Ich bin neugierig, Domänenser. Wieso lasst Ihr in einer so armseligen Siedlung einen Tempel bauen? Vor allem, wenn Ihr danach alle Einwohner hinrichtet?«
»Die Einwohner wurden belohnt, nicht hingerichtet«, widersprach Kahlt, und sein Gesicht verdüsterte sich. »Wir richten nur Verbrecher hin.«
»Und die Opfer waren mit dem Unterschied zufrieden?«
»Vielleicht könnt Ihr sie das in nicht allzu langer Zeit selbst fragen, Lady.«
»Vielleicht.«
»Aber, um Eure Frage zu beantworten: Dieser Tempel ist einer von siebzig, die erst kürzlich erbaut wurden und alle einen traditionellen Grenzübergang zur Domäne beherrschen. Die Grenzen der Pannionischen Domäne sind sowohl spiritueller als auch geographischer Natur. Es liegt an den treuesten ihrer Gläubigen, die Verantwortung für ihren Schutz und die Einhaltung der Vorschriften auf sich zu nehmen.«
»Wir sind also Eure Gäste, damit Ihr unseren Wert einschätzen und uns für würdig erachten könnt, Euer Reich zu betreten – oder aber für unwürdig.«
Kahlt zuckte die Schultern, griff nach einem Stück von einer einheimischen Frucht, die Toc nicht kannte. »Bitte, erfrischt Euch. Der Wein ist aus Gredfallan, höchst angenehm. Das Fleisch ist Bhederin – «
Lady Missgunst beugte sich vor und nahm geziert eine Scheibe Braten, die sie dann in Richtung des Eingangs warf. Garath trat vor, schnüffelte an dem Fleisch und machte sich darüber her. Sie lächelte den Hohepriester an. »Ich danke Euch, wir nehmen das Angebot gern an.«
»Bei unserem Volk«, sagte Kahlt krächzend, und seine Hände zuckten dabei, »gilt das, was Ihr gerade getan habt, als schwere Beleidigung.«
»Bei meinem betrachtet man so etwas als pragmatische Denkweise.«
Der Domänenser lächelte kalt und bleckte dabei die Zähne. »Vertrauen und Ehre werden in der Pannionischen Domäne hoch geschätzt, Lady. Der Gegensatz zu der Kultur, der Ihr entstammt, könnte nicht offensichtlicher
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