SdG 04 - Die eisige Zeit
andere Lösungen an«, sagte Lady Missgunst. »Passt auf.«
Sie ging zu Baaljagg. »Du, mein Schätzchen, bist in deiner gegenwärtigen Gestalt eine viel zu … beängstigende Erscheinung. Sollen wir dich ein bisschen kleiner machen?«
Die Ay hatte sich nicht gerührt; sie schaute nur zu, als Lady Missgunst eine schlanke Hand ausstreckte und ihr auf die Stirn legte.
Binnen eines Lidschlags schrumpfte Baaljagg von groß und hager zu einer Größe, die der von Garath entsprach. Lächelnd blickte Lady Missgunst nach Süden. »Diese gelben Wölfe folgen uns noch immer; sie sind schrecklich neugierig, aber es erscheint mir mehr als unwahrscheinlich, dass sie ausgerechnet jetzt, da wir wieder unter Menschen sind, näher kommen. Leider dürfte es wohl nichts bringen, die Seguleh auf Kindergröße schrumpfen zu lassen – ich fürchte, man würde sie dennoch erkennen. Würdet Ihr mir da nicht beipflichten, Toc der Jüngere?«
Der Malazaner beschwor vor seinem inneren Auge das Bild zweier maskierter, todbringender »Kinder« herauf – und einen Augenblick später befand sich sein Vorstellungsvermögen auf dem Rückzug. »Oh«, brachte er hervor. »Nein. Ich meine, ja. Ja, ich stimme Euch zu.«
»Der Weiler da drüben«, fuhr sie fort, »wird sich als brauchbarer Test erweisen, wie die Einheimischen auf die Seguleh reagieren. Wenn weitere Illusionen vonnöten sind, um unsere Gruppe zu tarnen, können wir uns später damit befassen. Habe ich auch wirklich alles in Erwägung gezogen, mein Liebling?«
»Ja«, brummte er widerwillig, »ich denke schon.«
»Vielleicht gibt es in dem Weiler ja eine Art Schänke.«
»Darauf würde ich nicht vertrauen, Lady. Dieser Handelspfad ist viele Jahre lang nicht benutzt worden.«
»Wie unzivilisiert! Gehen wir trotzdem hinunter?«
Die ersten Regentropfen fielen auf den steinigen Pfad, als sie das vorderste des halben Dutzends schmutziger, baufälliger Gebäude erreichten, aus denen der Weiler bestand. Es war einst eine Schänke gewesen, in der die Kaufleute Halt gemacht hatten, und verfügte über Ställe und einen von einer niedrigen Mauer umgegebenen Hof für die Wagen und Karren der Händler. Jetzt war es jedoch nicht mehr bewohnt und teilweise abgerissen; das Holz und die behauenen Steine der Küchenwand waren weggeschafft worden, so dass das Innere nun den Elementen ausgesetzt war. Zwischen den Backstein-Ofen wuchsen hohes Gras und Kräuter.
Direkt hinter der verlassenen Schänke lagen drei kleine Gebäude: eine Schmiede, ein Vorratsschuppen sowie die Amtsräume und das Wohnquartier eines Zehnten-Eintreibers. Alles wirkte heruntergekommen und leblos. Das einzige Haus, das so aussah, als würde es instandgehalten, lag auf der anderen Seite der flachen Furt. Es war von einer hohen, aus den unterschiedlichsten Steinen gebauten Mauer umgeben, in der sich ein überwölbter, mit einem hölzernen Tor verschlossener Eingang befand. Von dem Bauwerk dahinter war nur eine pyramidenförmige Spitze zu sehen, die mit poliertem Kupfer beschlagen war.
»Ich schätze, das ist ein Tempel«, murmelte Toc, der mitten auf der einzigen Straße des Weilers stand und mit zusammengekniffenem Auge das Gebäude auf der anderen Seite des Flusses betrachtete.
»In der Tat«, meinte Lady Missgunst. »Und die in seinem Innern wissen von uns.«
Er warf ihr einen raschen Blick zu. »Was wissen sie?«
Sie zuckte die Schultern. »Wir sind Fremde und kommen von der Ebene von Lamatath. Ein Priester im Innern hat die Macht, Nachforschungen anzustellen, aber man kann ihn leicht in die Irre führen. Ihr solltet nicht vergessen – « Sie lächelte. »Ich hatte Generationen lang Zeit, mein harmloses Erscheinungsbild zu vervollkommnen.«
Harmlos? Beim Atem des Vermummten, Lady, das ist Euch aber gründlich misslungen.
»Ich habe den Priester schon in der Hand, mein Liebling – er ist natürlich vollkommen ahnungslos. Ja, ich glaube sogar, dass sie uns Quartier geben werden, wenn wir fragen. Folgt mir.«
Er stolperte hinter ihr her. »Quartier? Habt Ihr den Verstand verloren, Lady?«
»Still, junger Mann. Im Augenblick bin ich friedlich – Ihr wollt doch wohl nicht, dass ich ärgerlich werde, oder?«
»Nein, ganz und gar nicht. Aber trotzdem, Lady Missgunst, dies ist ein Risiko, das – «
»Unsinn! Ihr müsst lernen, mir zu vertrauen, Toc der Jüngere.« Unvermittelt legte sie ihm einen Arm um die Hüften und zog ihn zu sich heran. »Geht mit mir, mein Teuerster. Da, ist das nicht schön? Wie unsere
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