SdG 04 - Die eisige Zeit
einen zittrigen Seufzer aus. »Baaljagg«, flüsterte er. »Du bist gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe.«
Die Ay tappte an der Tür vorbei, nachdem sie einen winzigen Augenblick Halt gemacht und zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihn auch erkannt hatte. Toc wartete, bis das Tier vorbei war, und folgte der Wölfin dann.
Der Korridor war ein einziges Trümmerfeld. Überall lagen zerschmetterte Steine, zerfetzte Bettgestelle und Körperteile herum. Die Wände waren mit Blut und Galle bespritzt. Bei den Göttern, ist diese Wölfin durch armdicke Steinwände gebrochen? Wie ist das möglich?
Den Kopf gesenkt tappte Baaljagg mit klackenden Klauen auf das Badezimmer zu. Toc schlich ein paar Schritte hinter der Ay.
Bevor sie ihr Ziel erreichten, tauchte eine zweite vierbeinige Gestalt aus einem Seitengang neben dem Eingang auf – dunkel, grauschwarz gesprenkelt und noch größer als Baaljagg. Augen wie glühende Kohlen in einem breiten, blutverschmierten Kopf richteten sich auf Toc den Jüngeren.
Garath?
Die Schultern der Kreatur waren von weißem Staub bedeckt. Sie wich zu einer Seite hin aus, um Baaljagg durchzulassen.
»Garath«, murmelte Toc, während er der Wölfin folgte und dabei in die Reichweite der gewaltigen, triefenden Fänge geriet. »Was war eigentlich in dem Bhederin-Fleisch, das du gefressen hast?«
Das freundliche Schoßtier war heute Nacht verschwunden; Garath war zu einem im höchsten Maße kalten, perfekten Schlächter geworden. Der Tod tanzte in den Augen des riesigen Hundes.
Das Tier ließ Toc vorbeigehen, drehte sich dann um und trottete den Weg zurück, den es gekommen war.
Das Badezimmer wurde von einer Reihe von Kerzen an der hinteren Wand erleuchtet. Baaljagg umrundete die Becken, die Nase dicht über den Fliesen. Das tröpfelnde Wasser dampfte und war rot. Obwohl es trüb war, konnte Toc vier Leichen am Grund der Becken liegen sehen, alle in Rüstungen. Er war sich nicht sicher, doch er glaubte, dass sie bei lebendigem Leibe gekocht worden waren.
Der Malazaner taumelte gegen eine Wand und gab nach kurzem, quälendem Würgen das Abendessen wieder von sich, mit dem der Domänenser sie so freundlich versorgt hatte.
Ein fernes Krachen ließ den Boden unter seinen Füßen erzittern. Das ist Garath, der seine erbarmungslose Jagd fortsetzt, Oh ihr armen Scheißkerle, ihr habt die falschen Gäste in euren Tempel eingeladen …
»Ach, da seid Ihr ja!«
Er fühlte sich immer noch elend, drehte sich jedoch um und sah sich Lady Missgunst gegenüber; sie stand im Türrahmen, trug ihr makellos weißes Nachtgewand und hatte die rabenschwarzen Haare hoch gesteckt. »Diese Rüstungen haben sich leider als verhängnisvoll schwer erwiesen«, sagte sie bedauernd, den Blick auf die Leichen in den Becken gerichtet. Dann erhellte sich ihr Gesicht. »Schön! Kommt mit, ihr beiden! Senu und Thurule müssten jetzt mit den Domänenser-Kriegern fertig sein.«
»Gibt es hier denn mehr als einen?«, fragte Toc verwundert.
»Alles in allem waren es ungefähr zwanzig. Kahlt war ihr Hauptmann, so wie er auch der Hohepriester dieses Tempels war. Krieger-Priester, was für eine unglückliche Kombination. Geht jetzt zurück in Euer Zimmer, mein Herz. Ihr müsst Eure Sachen zusammenpacken. Wir treffen uns auf dem Hof.«
Sie ging davon.
Während Toc, gefolgt von Baaljagg, hinter ihr herstolperte, holte er noch einmal zitternd tief Luft. »Ist Tool auch aufgetaucht, um mitzumachen?«, fragte er.
»Ich habe ihn nicht gesehen. Aber er wurde sowieso nicht gebraucht. Wir hatten alles im Griff.«
»Während ich wie ein Idiot geschnarcht habe!«
»Baaljagg hat auf Euch aufgepasst, mein Liebling. Außerdem wart Ihr doch müde, oder nicht? Ah, wir sind da. Packt Eure Ausrüstung zusammen. Garath hat vor, diesen Tempel zu zerstören – «
»Ja«, schnappte Toc. »Was Garath angeht – «
»Ihr seid nicht besonders guter Stimmung, wenn Ihr gerade erst aufgewacht seid, junger Mann, stimmt’s? Das können wir doch sicher alles auch noch später besprechen, oder?«
»Schön«, grollte er. »Das werden wir auch tun.«
Während die Innenräume des Tempels donnernd zu Staub zertrümmert wurden, stand Toc auf dem Hof und beobachtete die beiden Seguleh, die die Leichen der Dorfbewohner abnahmen und sie durch die Körper der gerade erst abgeschlachteten Domänenser-Krieger ersetzten. Unter ihnen war auch Kahlt, dessen Leichnam nur eine einzige Stichwunde aufwies – genau ins Herz.
»Er hat mit
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