SdG 04 - Die eisige Zeit
sein.«
»In der Tat. Wagt Ihr es denn, Euer Land unserem verderblichen Einfluss auszusetzen?«
»Ihr habt keinen Einfluss, Lady. Vielleicht haben allerdings wir welchen.«
Toc schenkte sich etwas Wein ein und fragte sich, was Missgunst eigentlich vorhatte. Sie waren mitten in ein Hornissennest marschiert, und jetzt rupfte sie einem Mann lächelnd die Flügel aus.
Kahlt hatte mittlerweile seine Fassung wiedergewonnen. »Ist es klug, Eure Diener zu maskieren, Lady? Diese Praxis scheint mir den Bedürfnissen Eurer unseligen Paranoia genau zuwiderzulaufen.«
»Oh, sie sind mehr als nur einfache Diener, Domänenser. Eigentlich sind sie Abgesandte. Sagt mir, sind Euch die Seguleh ein Begriff?«
Kahlt lehnte sich langsam zurück und musterte die schweigenden Krieger, die am Eingang standen. »Das Inselvolk … das alle unsere Mönche tötet. Und uns aufgefordert hat, ihm den Krieg zu erklären und eine Invasionsflotte loszuschicken. Arroganz wird auf ganz besondere Weise belohnt, wie sie noch herausfinden werden. Schließlich ist es eine Sache, unbewaffnete Priester zu ermorden … Zehntausend Domänenser werden Rache an den Seguleh nehmen. Nun gut«, er seufzte, »kommen diese Abgesandten jetzt, um um Vergebung zu bitten?«
»Oh nein«, wehrte Lady Missgunst ab. »Sie kommen, um – «
Tocs Hand zuckte zu ihr hinüber, legte sich auf ihren Arm. Überrascht blickte sie ihn an. »Lady«, murmelte er und wandte sich dann an Kahlt. »Sie sind geschickt worden, um dem Pannionischen Seher eine Botschaft zu überbringen. Persönlich.«
»Das ist gewiss auch eine Möglichkeit, es auszudrücken«, bemerkte Missgunst trocken.
Toc zog seine Hand zurück und setzte sich wieder gerade hin, wartete darauf, dass sein Herz zu hämmern aufhörte.
»Es gibt Bedingungen für solch eine Audienz« sagte Kahlt, den Blick noch immer auf die drei Seguleh gerichtet. »Sie müssen unbewaffnet sein. Und unmaskiert. Vielleicht auch noch mehr – aber es ist nicht an mir, das zu entscheiden.« Er richtete den Blick wieder auf Lady Missgunst. »Wie können diese Abgesandten Eure Diener sein?«
»Wer kann schon den Schlichen einer Frau widerstehen?«, gab sie zurück und schenkte ihm ein Lächeln.
Er zuckte sichtlich zusammen.
Ja, ich weiß wie das ist. Dein Herz hat sich gerade in Wasser verwandelt. Du musst dir alle Mühe gehen, dich ihr nicht einfach zu Füßen zu werfen. Tja, du bist gerupft worden, und jetzt bist du aufgespießt und windest dich …
Kahlt räusperte sich. »Ich werde Euch jetzt verlassen, damit Ihr Euch Eurer Mahlzeit widmen könnt. Es sind Schlafzimmer vorbereitet worden. Der Mönch, mit dem Ihr an der Tür gesprochen habt, wird Euer Führer sein. In einem Glockenschlag ist der Tag zu Ende. Vielen Dank für dieses höchst erhellende Gespräch.« Er stand auf, nahm die Axt von der Wand hinter ihm, und verließ den Raum durch die Tür, die weiter ins Innere des Gebäudes führte.
Toc grunzte, als die Tür sich schloss. »Erhellend? Sollte das ein Witz sein?«
»Esst auf, mein Lieber«, sagte Missgunst. »Den Bauch gefüllt und zufrieden … bevor wir unsere Belohnung erhalten.«
Toc verschluckte sich an einem Mund voll Wein, hustete einige Zeit hilflos und starrte sie dann mit einem trüben Auge an. »Unsere Belohnung erhalten?«, krächzte er.
»Ihr und ich, ja. Ich vermute, die Seguleh werden mit einer angemessenen Eskorte weitergeschickt. Baaljagg und Garath werden natürlich geschlachtet. Hier, versucht das einmal, das ist wunderbar. Vor der Morgendämmerung, nehme ich an, wird das Feuer in unseren Adern befreit werden, um den Sonnenaufgang zu grüßen, oder etwas ähnlich Pathetisches. Andererseits könnten wir uns in die Arme des Glaubens begeben – glaubt Ihr, wir könnten ihn überzeugen? Was für eine Frucht ist das hier? Schmeckt wie der Fußlappen eines Soldaten. Ich glaube nicht – er hat einen Entschluss gefasst, versteht Ihr?«
»Und Ihr habt ihm dabei geholfen, Lady«
»Habe ich das?« Sie schwieg und wirkte einen Augenblick lang nachdenklich, dann griff sie nach einem Stück Brot. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich das getan haben soll. Es stimmt schon, ich war verärgert. Ist Euch schon einmal aufgefallen, wie man Sprache verdrehen kann, um Brutalität zu verbergen? Oh, da kommt mir ein Gedanke! Schaut Euch die Seguleh an – sie sind maskiert, stimmt, aber sie sprechen klar und offen, nicht wahr? Glaubt Ihr, das hat etwas zu bedeuten? Liegt darin ein tieferer Sinn verborgen? Unsere
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