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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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einer Hand.
    Mok brach zusammen.
    Tool blieb schwankend stehen. »Weckt ihn wieder auf, Lady«, sagte er mit krächzender Stimme.
    »Das werde ich nicht tun. Senu, du und Thurule, macht eine Schlepptrage für euren schlafenden Bruder fertig. Ihr beide könnt sie ziehen.«
    »Lady – «
    »Ich rede nicht mit Euch, T’lan Imass.« Und um ihre Ankündigung zu unterstreichen, verschränkte sie die Arme und drehte Tool den Rücken zu.
    Nach einem langen Augenblick, in dem sich niemand bewegte, schob das Erste Schwert schließlich seine Klinge zurück in die Scheide. »Er kann nicht immer schlafen, Lady Missgunst«, sagte Tool. »Ihr tut nichts weiter, als das Unausweichliche hinauszuzögern.«
    Sie gab keine Antwort.
    Toc holte tief Luft. »Was für eine wunderbare Frau«, seufzte er leise.
    Sie hatte es gehört und drehte sich um. Um ihren Mund spielte ein Lächeln, dass ihm fast das Herz stillstehen ließ. »Oh, danke!«
    »Das ist nicht – « Er vollendete den Satz nicht.
    Sie runzelte die Stirn. »Bitte?«
    »Nichts.« Bei den Göttern, nichts!
     
    Die Schlepptrage, die den Dritten trug, war aus Riemen, Ledergeflecht und zwei Speerschäften zusammengebaut – Letztere hatte Lady Missgunst von irgendwoher gezaubert – und wurde von Senu und Thurule mittels behelfsmäßiger Schulterschlingen gezogen. Die beiden Brüder waren über die Wendung, die die Ereignisse genommen hatten, ganz eindeutig verärgert, doch es war für Toc offensichtlich – und zweifellos auch für den T’lan Imass –, dass sie den Willen der Lady nicht herausfordern würden.
    Sie erstiegen die Hügelkette, während der Nachmittag zu Ende ging. Regenwolken zogen aus dem Norden heran, verbargen die Berge dahinter. Die Luft wurde kühler.
    Die Grenze selbst war durch eine Reihe von Steinhaufen gekennzeichnet, die sich entlang des Kamms dahinzog. Lang aufgegebene Einfriedungen waren hier und dort zu sehen; die niedrigen, ohne Mörtel aufgeschichteten Steinmauern deuteten auf vergangene, wohlhabendere Zeiten. Gepflasterte, von Gras überwucherte Seitenwege zogen sich kreuz und quer über das Land vor ihnen. Die Hügel öffneten sich in ein breites, flaches Tal, auf dessen Sohle sich ein von Bäumen gesäumter Wasserlauf seinen Weg gen Norden suchte. Drei niedrige Bauernhäuser waren im Talgrund zu erkennen, und ein Stück weiter bildeten eine Hand voll Gebäude direkt am Fluss einen Weiler; dort musste sich anscheinend eine Furt befinden. Es war kein Vieh zu sehen, und aus den Schornsteinen stieg auch kein Rauch, was der ländlichen Szenerie etwas Unheimliches verlieh.
    Trotzdem versetzte der Übergang von der unfruchtbaren Ebene zu grünen Weiden und den Anzeichen menschlichen Handelns Toc dem Jüngeren fast so etwas wie einen Schock. Er stellte mit einem kaum merklichen, dumpfen Gefühl des Unbehagens fest, dass er sich an die Einsamkeit der Ebene gewöhnt hatte, die die Elin Lamatath nannten. Die Abwesenheit von Menschen – von Menschen, die nicht zu ihrer Gruppe gehörten … von Fremden – hatte etwas abklingen lassen, was er jetzt als eine Art Anspannung erkannte, die ihn sein ganzes Leben lang begleitet hatte. Vielleicht begleitet sie uns alle. Unbekannte Gesichter, abschätzende Blicke, alle Sinne angespannt in dem Versuch, das Unbekannte zu erkennen. Die natürlichen Bemühungen innerhalb einer Gesellschaft. Hegen wir alle den Wunsch, ungesehen, unbemerkt zu bleiben? Ist die Tatsache, dass andere Zeugen unserer Taten werden, unser größtes Hemmnis?
    »Ihr seht nachdenklich aus, mein Liebling«, murmelte Lady Missgunst an seiner Seite.
    Er zuckte die Schultern. »Wir sind nicht gerade … unauffällig, oder? Ich meine, unsere Gruppe. Maskierte Krieger, eine riesige Wölfin, ein Hund – und ein T’lan Imass – «
    Tool blieb stehen und sah sie an. »Ich werde mich jetzt unsichtbar machen.«
    »Wenn du so zu Staub zerfällst«, fragte Toc, »betrittst du dann dein Teilann-Gewirr?«
    »Nein. Ich werde nur wieder zu dem, was ich eigentlich sein müsste, wenn das Ritual nicht stattgefunden hätte. Es wäre nicht klug, Tellann im Innern der Domäne einzusetzen, Toc der Jüngere. Ich werde allerdings in der Nähe bleiben und wachsam sein.«
    Toc grunzte. »Ich habe mich daran gewöhnt, dich um mich herum zu haben. In Fleisch und Blut, meine ich.« Er machte ein finsteres Gesicht. »Na ja, so wie eben.«
    Der T’lan Imass zuckte die Schultern und verschwand in einer Staubfahne.
    »Im Hinblick auf unsere vierbeinigen Begleiter bieten sich

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