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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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die der Marsch gefordert hatte und immer noch forderte. Ihre kochenden Kessel waren immer voll. Die Belohnung der Mächtigen.
    Die Metapher ist zur Realität geworden – ich kann meine alten, zynischen Lehrer nicken sehen. Hier, unter den Tenescowri, trübt nichts die brutale Wahrheit. Unsere Herrscher verschlingen uns. Sie haben es immer getan. Wie konnte ich nur jemals glauben, dass es anders wäre? Früher war ich Soldat. Ich habe den Willen eines anderen gewaltsam durchgesetzt.
    Er hatte sich verändert, das war eine Wahrheit, die er leicht erkennen konnte. Seine Seele war zerrissen von dem Grauen, das er überall um sich herum sah, der schieren, aus Hunger und Fanatismus geborenen Amoralität, und so war er neu geformt worden, war fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt und zu etwas Neuem gemacht worden. Die Auslöschung des Glaubens – jeden Glaubens, besonders jedoch des Glaubens an das Gute in seinen Mitmenschen – hatte ihn kalt, hart und barbarisch gemacht.
    Und doch würde er kein menschliches Fleisch essen. Da ist es immer noch besser, mich von innen zu verzehren, meine eigenen Muskeln zu verbrauchen, Schicht um Schicht, und alles aufzulösen, was ich einmal war. Dies ist die letzte Aufgabe, die noch vor mir liegt, und sie hat bereits begonnen. Doch er fing allmählich an, eine tiefere Wahrheit zu erkennen: Sein Widerstand bröckelte. Nein, schlag dir diesen Gedanken aus dem Kopf.
    Er hatte keine Ahnung, was Anaster in ihm gesehen hatte. Toc spielte den Stummen, er war derjenige, der dem geschenkten Fleisch trotzte, er bot der Welt nichts weiter als seine Gegenwart, die Schärfe seines einen Auges – das alles sah, was gesehen werden konnte –, und doch hatte der Erste ihn entdeckt, irgendwie, inmitten der Massen, hatte ihn hervorgezerrt und ihm den Posten eines Leutnants gegeben.
    Aber ich befehlige niemanden. Habe nichts mit Taktik und Strategie zu tun, den endlosen Schwierigkeiten, eine Armee zu führen und zu verwalten, selbst wenn sie so anarchistisch ist wie diese hier. Ich nehme schweigend an den Treffen mit Anaster und den anderen teil. Ich werde nicht nach meiner Meinung gefragt. Ich erstatte keinen Bericht. Was will dieser Mann von mir?
    Tief unter der betäubten Oberfläche wirbelten noch immer misstrauische Gedanken. Er fragte sich, ob Anaster irgendwie wusste, wer er war. Würde er schon bald dem Seher übergeben werden? Es war durchaus möglich – in der Welt, die hier entstanden war, war alles möglich. Wirklich alles. Die Realität an sich hatte auf ihre Regeln verzichtet – hier, wo die Lebenden von den Toten empfingen. Toc hatte die wilde Liebe in den Augen der Frauen gesehen, wenn sie einen sterbenden Gefangenen bestiegen, die auflodernde Hoffnung, dass sie den letzten Samen des Leichnams in sich aufnehmen würden, der dem Körper entfloh, als suche das sterbende Fleisch selbst nach einer letzten Möglichkeit, der Endgültigkeit des Vergessens zu entgehen – noch in dem Augenblick, da die Seele in Dunkelheit ertrank. Und es ist Liebe, nicht Lust. Diese Frauen haben ihr Herz an den Augenblick des Todes gehängt. Sollte der Samen keimen …
    Anaster war der Älteste der ersten Generation. Ein blasser, schlaksiger Junge mit gelbfleckigen Augen und strähnigen schwarzen Haaren, der die riesige Armee vom Rücken seines alten Gauls aus führte. Sein Gesicht war von einer unmenschlichen Schönheit, als wohne hinter der perfekten Maske keine Seele. Frauen und Männer jeden Alters kamen zu ihm, bettelten um seine sanfte Berührung, doch er verweigerte sich ihnen allen. Nur seine Mutter ließ er an sich heran, damit sie ihm über die Haare streichen oder ihre runzlige, von der Sonne gebräunte Hand auf seine Schulter legen konnte.
    Toc fürchtete sie mehr als alle anderen, mehr als Anaster und seine willkürliche Grausamkeit, mehr als den Seher. Etwas Dämonisches leuchtete aus ihren Augen. Sie war die Erste gewesen, die einen sterbenden Mann bestiegen und dabei zunächst die Nachtschwüre der ersten Nacht eines jung verheirateten Paares geschrien und dann wie eine Witwe gejammert hatte, als der Mann unter ihr gestorben war. Eine Geschichte, die oft erzählt worden war, für die es eine Vielzahl von Zeugen gab. Andere Frauen der Tenescowri kamen in Scharen zu ihr. Vielleicht war es die Art, wie sie Macht über einen hilflosen Mann ausgeübt hatte; vielleicht war es ihr dreister Diebstahl des unfreiwillig verströmten Samens; vielleicht war der Wahnsinn auch einfach nur ansteckend und

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