SdG 04 - Die eisige Zeit
einrahmten.
Der im Zwielicht liegende Durchgang endete nach einem halben Dutzend Schritte, öffnete sich auf einen Pfad, der sich durch eine von hohen Wänden umgebene Spalte wand. Schatten verschluckten den Händler, als er den Pfad entlang hastete. Er schätzte, dass es nicht einmal mehr hundert Herzschläge bis zum Sonnenuntergang waren – sollte er es nicht schaffen, die Verabredung einzuhalten, konnte sich die Verzögerung, die durch sein Zusammentreffen mit den Brückenverbrennern entstanden war, als verhängnisvoll erweisen.
»Schließlich«, flüsterte er vor sich hin, »sind Götter nicht dafür bekannt, besonders nachsichtig zu sein …«
Die Münzen waren schwer. Sein Herz hämmerte heftig in seiner Brust. Er war derart anstrengende Unternehmungen nicht gewohnt. Schließlich war er ein Künstler. Er hatte in letzter Zeit vielleicht nicht allzu viel Glück gehabt und war zweifellos von den Geschwüren zwischen seinen Beinen geschwächt, aber wenn überhaupt, so war seine Begabung und seine Phantasie durch all den Kummer und die Schmerzen, die er erlitten hatte, eher noch gewachsen. »Ich habe dich gerade wegen deiner Fehler ausgewählt, Murks. Wegen deiner Fehler und deiner Fähigkeiten natürlich. Oh ja, ich kann deine Fähigkeiten sehr gut gebrauchen …«
Der Segen eines Gottes würde diese Geschwüre sicherlich beseitigen. Und wenn nicht, dann würden dreihundert Räte fast ausreichen, die Behandlung durch einen Denul-Heiler zu bezahlen, wenn er wieder in Darujhistan war. Schließlich war es alles andere als klug, sich ausschließlich auf den Lohn eines Gottes für geleistete Dienste zu verlassen. Die Geschichte, die Murks den Brückenverbrennern über eine Auktion in Fahl erzählt hatte, entsprach der Wahrheit – es zahlte sich aus, im Voraus an Alternativen zu denken, Rückzugspläne zu machen –, und auch wenn Schnitzereien und Skulpturen nicht das waren, was er am besten beherrschte, so war er dennoch nicht so bescheiden, die hohe Qualität seiner Arbeiten zu leugnen. Natürlich waren sie nichts im Vergleich zu seinen Bildern. Nichts, überhaupt nichts.
Er hastete den Pfad entlang, achtete nicht weiter auf die übernatürlichen Nebel, die ihn einhüllten. Zehn Schritte weiter verschwanden die Spalten und Klippen der östlichen Ausläufer des Tahlyn-Gebirges vollständig, als er durch das Tor des Gewirrs trat, und die Nebel wurden dünner, gaben den Blick auf eine eintönige, steinige Ebene unter einem blassen Himmel frei. Etwas weiter draußen auf der Ebene hockte ein zerlumptes Fellzelt, über dem meerblaue Rauchschwaden hingen. Murks eilte auf das Zelt zu.
Schwer atmend kauerte sich der Künstler vor dem Zelteingang hin und kratzte an der Zeltklappe.
Ein raues Husten erklang aus dem Zeltinnern, gefolgt von einer krächzenden Stimme: »Tritt ein, Sterblicher.«
Murks kroch hinein. Dichter, beißender Rauch stieg ihm in Augen, Nase und Kehle, doch nach dem ersten Atemzug breitete sich von seiner Lunge her ein kühles Gefühl der Betäubung in seinem Körper aus. Mit gesenktem Kopf und ohne sich umzublicken, verharrte Murks gleich hinter dem Eingang und wartete.
»Du kommst spät«, sagte der Gott; er schnaufte schwer bei jedem Atemzug.
»Auf dem Pfad waren Soldaten, Herr – «
»Haben sie es entdeckt?«
Der Künstler lächelte die schmutzigen Binsen auf dem Fußboden des Zelts an. »Nein. Sie haben meinen Rucksack durchsucht, genau wie ich es mir gedacht hatte, aber mich haben sie nicht durchsucht.«
Der Gott hustete erneut, und Murks vernahm ein scharrendes Geräusch, als die Kohlenpfanne über den Boden gezogen wurde. Samen platzten auf den glühenden Kohlen auf, und der Rauch wurde dichter. »Zeig es mir.«
Der Künstler griff in eine Falte seiner fadenscheinigen Tunika und zog ein dickes Päckchen von der Größe eines Buches hervor. Er wickelte es aus, und zum Vorschein kam ein Stapel hölzerner Karten. Den Kopf noch immer gesenkt und ohne etwas zu sehen, schob Murks dem Gott die Karten hin, fächerte sie dabei vor seinem Gegenüber auf.
Er hörte, wie der Gott den Atem anhielt, und dann ein leises Rascheln. Als der Gott erneut sprach, klang die Stimme näher. »Haben sie Fehler?«
»Ja, Herr. Einen in jeder Karte, genau wie Ihr es befohlen habt.«
»Ah, das gefällt mir. Sterblicher. Deine Fähigkeiten sind unübertroffen. Dies sind wirklich Bilder von Schmerz und Unvollkommenheit. Diese Gestalten sind gequält und voller Angst. Ihr Anblick schmerzt das Auge und verwundet
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