SdG 04 - Die eisige Zeit
dann.
»Nicht gerade etwas, das Furcht erzeugen könnte«, fuhr die Frau mit der mitternachtsdunklen Haut fort, »oder im Brennpunkt hitziger Streitereien stehen könnte …«
»Dann hat es also noch mehr Streit gegeben?«
»Ja. Kallor hat seine Angriffe wiederholt.«
Die Mhybe versteifte sich. Sie hob den Kopf und schaute zu der Tiste Andii auf. »Und? Hat sich irgendetwas geändert, Korlat?«
»Bruth bleibt standhaft«, erwiderte Korlat nach einem Augenblick. Sie zuckte die Schultern. »Sollte er Zweifel haben, verbirgt er sie gut.«
»Er hat Zweifel«, sagte die Mhybe. »Doch noch wiegen sie nicht so schwer, noch braucht er uns Rhivi und unsere Herden dringender. Er handelt aus Berechnung, nicht aus Treue. Wird er uns auch weiterhin brauchen, wenn er erst das Bündnis mit dem einarmigen Malazaner geschlossen hat?«
»Es besteht Hoffnung«, warf Korlat ein, »dass die Malazaner mehr über die Ursprünge des Kindes wissen – «
»Genug, um die mögliche Bedrohung zu verringern? Korlat, du musst Bruth klar machen, dass das, was die beiden Seelen einmal waren, nichts im Vergleich zu dem ist, was sie geworden sind.« Den Blick auf das spielende Kind gerichtet, fuhr die Mhybe fort: »Sie wurde im Einflussbereich eines T’lan Imass geschaffen – sein zeitloses Gewirr wurde zu den bindenden Fäden, und diese wurden von einem Knochenwerfer der Imass gewoben – einem Knochenwerfer aus Fleisch und Blut, Korlat. Dieses Mädchen gehört zu den T’lan Imass. Sie mag den Körper einer Rhivi haben, und sie mag auch die Seelen zweier malazanischer Magierinnen in sich tragen, aber sie ist jetzt eine Wechselgängerin – und außerdem auch eine Knochenwerferin. Und selbst diese Wahrheit kratzt nur an der Oberfläche dessen, was aus ihr werden wird. Sag mir, wozu brauchen die unsterblichen T’lan Imass eine Knochenwerferin aus Fleisch und Blut?«
Korlat verzog das Gesicht zu einer schiefen Grimasse. »Das darfst du mich nicht fragen.«
»Und die Malazaner auch nicht.«
»Bist du dir da sicher? Sind die T’lan Imass nicht unter dem malazanischen Banner marschiert?«
»Aber das tun sie nicht mehr, Korlat. Was für ein heimlicher Zwist herrscht jetzt zwischen ihnen? Welche geheimen Absichten mögen hinter all den Ratschlägen stecken, die die Malazaner erteilen? Wir haben keine Möglichkeit, es zu erraten, nicht wahr?«
»Ich gehe davon aus, dass Caladan Bruth sich all dessen bewusst ist«, meinte die Tiste Andii trocken. »Auf alle Fälle kannst du Zeugin der ganzen Angelegenheit werden, kannst daran teilnehmen, Mhybe. Das malazanische Kontingent nähert sich, und der Kriegsherr möchte, dass du bei der Unterredung zugegen bist.«
Die Mhybe drehte sich um. Vor ihr erstreckte sich jetzt Caladan Bruths Lager, so sorgfältig organisiert wie immer. Söldnertruppen im Westen, die Tiste Andii im Zentrum, und ihr eigenes, das Lager der Rhivi und die Bhederin-Herden im Osten. Es war ein langer Marsch gewesen, herunter vom Plateau des Alten Königs, durch die Städte Katz und Fleck und schließlich auf den sich nach Süden windenden alten Karawanenpfad, der die Ebene durchquerte, die traditionelle Heimat der Rhivi. Eine Heimat, die von Jahren des Krieges zerrissen wurde, von marschierenden Armeen und den vom Himmel herabfallenden Brandbomben der Moranth … plötzlich sind die Quorls da, ein lautloses, schwarzfleckiges Wirbeln, und das Grauen fällt auf unsere Lagerplätze … und unsere heiligen Herden.
Doch jetzt stehen wir kurz davor, unseren Feinden die Hand zu reichen. Nachdem wir einander so lange an die Gurgel gegangen sind, werden wir den malazanischen Invasoren und den kaltblütigen Moranth nun Hochzeitsbänder flechten, für die Vermählung unserer beiden Armeen – aber es ist keine Hochzeit im Namen des Friedens. Nein, diese Krieger suchen jetzt einen neuen Feind …
Südlich von Bruths Armee erhoben sich die erst vor kurzem wieder instandgesetzten Wälle von Fahl; die immer noch sichtbaren Spuren der Verwüstung erinnerten die Rhivi an die malazanische Zauberei. Sie schauderte. Eine Gruppe Reiter hatte die Stadt gerade durch das Nordtor verlassen, ein einfarbiges, graues Banner ohne jedes Wappen machte für alle deutlich, dass sie Ausgestoßene waren, während sie langsam über den kahlen Todesstreifen auf Bruths Lager zugeritten kamen.
Die Mhybe betrachtete die schmucklose Standarte misstrauisch. Alte Frau, deine Ängste sind ein wahrer Fluch. Du solltest jetzt nicht an Misstrauen denken, du solltest nicht
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