SdG 04 - Die eisige Zeit
aber ich vertraue dem Bärtigen trotzdem. Der Moranth – er lacht innerlich. Er lacht immer, aber das weiß niemand. Es ist kein grausames Lachen, sondern eines voller Kummer. Und was den mit der Standarte angeht …« Silberfuchs runzelte die Stirn. »Da bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, ich war mir bei ihm immer unsicher …«
Die Mhybe wechselte über den Kopf des Mädchens hinweg einen Blick mit Korlat.
»Ich schlage vor«, sagte die Tiste Andii, »dass wir ein bisschen näher herangehen.«
Während sie sich dem Treffpunkt näherten, tauchten zwei Gestalten aus der Vorpostenlinie auf, gefolgt von einem Vorreiter, der eine Standarte ohne Wimpel trug. Alle drei Männer waren zu Fuß. Als sie sie sah, fragte sich die Mhybe, was die Malazaner wohl von den beiden vorderen Kriegern halten würden. In Caladan Bruths Adern floss Barghast-Blut, was man an seiner großen, ungeschlachten Gestalt und dem breiten, flachen Gesicht unschwer erkennen konnte; und außerdem war da noch etwas anderes, etwas, das nicht ganz menschlich war. Der Mann war riesig; der gewaltige eiserne Hammer, den er sich auf den Rücken geschnallt hatte, passte gut zu ihm. Bruth und Dujek hatten sich auf diesem Kontinent mehr als zwölf Jahre lang ein Duell geliefert, einen Kampf der Willen, der zu mehr als zwanzig offenen Feldschlachten und ebenso vielen Belagerungen geführt hatte. Beide hatten sich mehr als einmal großer Gefahr gegenübergesehen, aber sie waren immer davongekommen, blutend zwar, aber am Leben. Auf dem Schlachtfeld hatten sie einander schon lange eingeschätzt, jetzt jedoch würden sie sich endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
An Bruths Seite schritt Kallor dahin, groß, hager und grau. Sein bodenlanger Kettenwappenrock glänzte im diffusen Licht des frühen Morgens. Ein einfaches Bastardschwert hing von den eisernen Ringen seines Harnischs, schwang im Takt seiner schweren Schritte auf und ab. War ein Spieler in diesem tödlichen Spiel immer ein Geheimnis für die Mhybe geblieben, dann der selbst ernannte Hochkönig. Tatsächlich war das Einzige, dessen die Rhivi sich sicher sein konnte, Kallors Hass auf Silberfuchs, ein Hass, der sich auf Furcht gründete, und vielleicht auch auf ein Wissen, das nur dieser Mann besaß – ein Wissen, dass er mit niemandem teilen wollte. Kallor behauptete, dass er bereits seit Jahrtausenden lebte, behauptete, einst ein Reich regiert zu haben, das er am Ende selbst zerstört hatte, aus Gründen, die er nicht enthüllen wollte. Doch er war kein Aufgestiegener – seine Langlebigkeit verdankte er wahrscheinlich alchemistischen Mitteln, und diese waren alles andere als vollkommen, denn sein Gesicht und sein Körper wiesen die gleichen Spuren auf wie bei einem Mann, der auf die hundert zuging.
Bruth machte sich Kallors Wissen über Taktik und Strategie zu Nutze, etwas, das eine instinktive Beherrschung aller erdenklichen Truppenbewegungen im Verlauf gewaltiger Feldzüge zu sein schien, doch der Hochkönig zeigte allen deutlich, dass für ihn solche Kämpfe nichts als flüchtige Spiele waren, denen er sich nur zur Ablenkung und mit kaum verhohlenem Desinteresse widmete. Die Soldaten empfanden Kallor gegenüber keine Loyalität. Widerwilliger Respekt war alles, was man dem Mann entgegenbrachte, und die Mhybe vermutete, dass das schon immer so gewesen war und auch immer so bleiben würde.
Als er und Bruth die Hügelkuppe erreichten, verriet sein Gesichtsausdruck Verachtung und Geringschätzung, während er Dujek, Elster und den Kommandanten der Moranth musterte. Die Männer würden Mühe haben, sich dadurch nicht gekränkt zu fühlen, doch die drei Malazaner schienen den Hochkönig vollständig zu ignorieren, als sie von ihren Pferden stiegen; ihre Aufmerksamkeit war einzig und allein auf Caladan Bruth gerichtet.
Dujek Einarm trat vor. »Ich grüße Euch, Kriegsherr. Erlaubt mir, Euch mein bescheidenes Kontingent vorzustellen. Mein Stellvertreter Elster. Artanthos, mein gegenwärtiger Standartenträger. Und der Anführer der Schwarzen Moranth, dessen Titel sich in etwa mit Achievant übersetzen ließe und dessen Name absolut unaussprechlich ist.« Die abtrünnige Hohefaust grinste die chitingerüstete Gestalt an. »Seit er im Schwarzhundwald einem Geist der Rhivi die Hand geschüttelt hat, haben wir angefangen, ihn Twist zu nennen.«
»Artanthos …«, murmelte Silberfuchs leise. »Diesen Namen hat er schon lange nicht mehr benutzt. Und er ist nicht das, was er zu sein
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