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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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unsichtbaren, unerbittlichen Willen dahingezogen – wie die Gezeiten – «
    Das Mädchen drückte die Hand der Mhybe fester. »Dann frag Korlat, was ihre Erinnerungen ihr erzählen, Mutter.«
    Die Rhivi warf der Tiste Andii einen Blick zu, zog die Brauen empor und sagte: »Du hast zugehört, aber du hast nichts gesagt. Welche Antwort erwartet meine Tochter von dir?«
    Korlat lächelte wehmütig. »Die Erfahrungen sind gleich. Das ist ganz klar, soweit es eure beiden Armeen betrifft. Aber das gilt auch … über den Abgrund der Zeit hinweg. Bei allen Wesen, die Erinnerungen besitzen – egal, ob Individuen oder ganze Völker –, sind die Lektionen, die uns das Leben erteilt, immer dieselben.« Die jetzt violetten Augen der Tiste Andii richteten sich auf Silberfuchs. »Sogar bei den T’lan Imass – war es das, was du uns sagen wolltest, Kind?«
    Das Mädchen zuckte die Achseln. »Was auch immer geschehen wird – denkt an Vergebung. Haltet an diesem Gedanken fest, aber ihr solltet auch begreifen, dass Vergebung nicht immer freiwillig gewährt werden muss.« Silberfuchs richtete den Blick ihrer schläfrig wirkenden dunklen Augen auf Korlat, und plötzlich wurden diese Augen hart. »Manchmal muss Vergebung auch verweigert werden.«
    Stille folgte ihren Worten. Liebe Geister, führt uns. Dieses Kind macht mir Angst. Um die Wahrheit zu sagen, ich kann Kallor verstehen … und das macht mir mehr Sorgen als alles andere.
    Sie machten seitlich vom Ort der Unterredung und noch ein ganzes Stück davon entfernt Halt, direkt hinter den Vorposten von Bruths Lager.
    Wenige Augenblicke später erreichten die Malazaner die Hügelkuppe. Sie waren zu viert. Es fiel der Mhybe nicht schwer, Hohefaust Dujek Einarm zu erkennen. Der zum Ausgestoßenen erklärte Einarmige war allerdings älter als sie gedacht hatte, und er saß im Sattel seines Rotschimmel-Wallachs, als litte er unter alten Beschwerden und steifen Knochen. Er war dünn und mittelgroß, und er trug eine schlichte Rüstung und ein schmuckloses, ganz normales Kurzschwert am Gürtel. Sein schmales, scharf geschnittenes Gesicht war bartlos und zeigte die Spuren eines Lebens auf dem Schlachtfeld. Er trug keinen Helm, und das Einzige, was auf seinen Rang hindeutete, war sein langer grauer Umhang mit der silbernen Borte.
    Zu Dujeks Linker ritt ein weiterer Offizier mit grauem Bart und kräftiger Statur. Ein Helm mit Visier und Nackenschutz verbarg den größten Teil seines Gesichts, doch die Mhybe spürte, dass dieser Mann einen unermesslich starken Willen besaß. Er saß aufrecht im Sattel, doch sie bemerkte, dass er sein linkes Bein unbeholfen hielt und den Fuß nicht im Steigbügel hatte. Der Kettenpanzer seiner wadenlangen Halsberge war beschädigt und mit Lederflicken übersät. Die Mhybe registrierte sehr wohl, dass er auf Dujeks ungeschützter linker Seite ritt.
    Zur Rechten der abtrünnigen Hohefaust ritt ein junger Mann, ganz offensichtlich eine Art Adjutant. Er war schwer zu beschreiben, doch die Mhybe sah, dass seine Blicke unablässig hierhin und dorthin huschten, dass er alle Einzelheiten in sich aufsog, die er sah. Dieser Mann hielt auch die Fahne der Ausgestoßenen in einer von einem ledernen Handschuh bedeckten Hand.
    Der vierte Reiter war ein Schwarzer Moranth, vollkommen von einer chitinartigen Rüstung bedeckt, und diese Rüstung war schwer beschädigt. Der Krieger hatte alle vier Finger seiner rechten Hand verloren, doch er trug noch immer das, was von seinem Handschuh übrig geblieben war. Die Spuren unzähliger Schwerthiebe verunstalteten seine glänzende schwarze Rüstung.
    Korlat ächzte leise. »Das scheint mir ein ziemlich hart gesottener Haufen, meinst du nicht auch?«
    Die Mhybe nickte. »Wer ist der Mann zu Dujek Einarms Linken?«
    »Elster, nehme ich an«, antwortete die Tiste Andii, und ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Er macht eine gute Figur, nicht wahr?«
    Einen kurzen Augenblick fühlte die Mhybe sich wieder wie die junge Frau, die sie in Wirklichkeit war. Sie rümpfte die Nase. »Die Rhivi sind allerdings nicht so behaart, den Geistern sei Dank.«
    »Trotzdem …«
    »Ja, trotzdem.«
    »Ich würde ihn gern zum Onkel haben«, mischte Silberfuchs sich ein.
    Die beiden Frauen warfen ihr einen überraschten Blick zu.
    »Als Onkel?«, wiederholte die Mhybe.
    Das Mädchen nickte. »Du kannst ihm vertrauen. Während der einarmige alte Mann etwas verbirgt – na ja, nein, sie verbergen beide etwas, und es ist dasselbe Geheimnis,

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