SdG 04 - Die eisige Zeit
aber diese Macht bleibt gesichtslos, als wäre sie hinter einer ganzen Abfolge täuschender, in die Irreführender Schichten verborgen. Was verbirgt sich im Herzen dieses Reichs der Fanatiker?
Dieses grauenvolle Kind weiß es – ich würde auf des Gottes Bett aus zerfetztem Fleisch darauf schwören, oh ja. Und sie wird die T’lan Imass … genau zu diesem Herzen führen.
Begreifst du das, Caladan Bruth? Ich glaube, du begreifst es. Und selbst wenn Kallor, dieser ergraute alte Tyrann, seine Warnungen mit kalter Willenskraft ausstößt … selbst wenn du erschüttert bist von der unmittelbar bevorstehenden Ankunft untoter Verbündeter, so hat es dir einen noch viel größeren Schock versetzt, dass sie gebraucht werden. Wem oder was haben wir den Krieg erklärt? Was wird noch von uns übrig sein, wenn er vorbei ist?
Und, beim Abgrund, welche geheime Wahrheit weiß Kallor über Silberfuchs?
Die Mhybe trotzte dem überwältigenden Ekel, den sie sich selbst gegenüber empfand, und zwang sich, mit brutaler Klarheit zu denken, lauschte auf alles, was Silberfuchs sagte, auf jedes einzelne Wort, und auch auf das, was zwischen den einzelnen Worten war. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, während die Worte ihrer Tochter wie ein Sperrfeuer auf sie einprasselten. Solche Geheimnisse zu offenbaren ließ alle ihre Instinkte förmlich aufheulen – so viel preiszugeben, war voller Risiken. Doch endlich verstand sie die Lage ein wenig, in der Silberfuchs sich wiedergefunden hatte – die Bekenntnisse waren ein Hilfeschrei.
Sie braucht Verbündete. Sie weiß, dass ich allein nicht ausreiche – bei den Geistern hienieden, das ist ihr gerade gezeigt worden. Aber da ist noch mehr. Sie weiß, dass diese beiden Lager – die so lange Feinde waren – eine Brücke brauchen. In dem einen Lager geboren, streckt sie sich nach dem anderen. All das, was einst Flickenseel oder Nachtfrost war, ruft nach den alten Kameraden. Werden sie antworten?
Elsters Gefühle konnte die Mhybe nicht erkennen. Seine Gedanken mochten sehr wohl ein Echo von Kallors Standpunkt sein. Eine Abscheulichkeit. Sie sah, wie er einen Blick mit Korlat wechselte, und fragte sich, was zwischen den beiden ausgetauscht worden war.
Denk nach! Es liegt in der Natur aller hier Anwesenden, jede Situation unter strategischen Gesichtspunkten zu betrachten, und dabei persönliche Gefühle beiseite zu schieben, um abzuschätzen und abzuwägen. Silberfuchs ist vorgetreten; sie hat eine Position der Macht beansprucht, die der von Bruth, Anomander Rake oder Kallor gleichkommt. Fragt sich Dujek Einarm jetzt, mit wem er sich hier eigentlich abgibt? Begreift er, dass wir alle nur seinetwegen vereint waren – dass zwölf Jahre lang die Clans der Barghast und der Rhivi, die grundverschiedenen Kompanien von gut zwanzig Städten, die Tiste Andii, Anomander Rake, Caladan Bruth und Kallor – ganz zu schweigen von der Karmesin-Garde – dass wir alle des malazanischen Imperiums wegen Seite an Seite gestanden haben? Wegen Hohefaust Dujek Einarm persönlich.
Aber jetzt haben wir einen neuen Feind. Wir wissen bisher noch nicht viel über ihn, und das hat eine Art Zerbrechlichkeit unter uns erzeugt – ha, das ist mal eine Untertreibung – die Dujek Einarm jetzt erkennen kann.
Silberfuchs behauptet, dass wir die T’lan Imass brauchen werden. Nur der boshafte alte Imperator hätte sich mit solchen Kreaturen als Verbündete wohl fühlen können – selbst Kallor zuckt vor dem zurück, was uns aufgezwungen wird. Die zerbrechliche Allianz knirscht und wankt. Du bist ein viel zu kluger Mann, Hohefaust, um jetzt nicht schwere Zweifel zu haben.
Der einarmige Mann fand nach Silberfuchs’ Eröffnungen als Erster die Sprache wieder, und er wandte sich mit langsamen, sorgfältig gewählten Worten an das Kind. »Die T’lan Imass, mit denen das malazanische Imperium vertraut ist, gehören zu der Armee, die von Logros befehligt wird. Nach deinen Worten müssen wir zu dem Schluss kommen, dass es sehr wohl noch andere Armeen gibt, von denen wir jedoch noch nie gehört haben. Warum ist das so, Kind?«
»Die letzte Zusammenkunft«, erwiderte das Kind, »war vor Hunderttausenden von Jahren, und dabei wurde das Ritual von Teilann heraufbeschworen – das Binden des Imass-Gewirrs an jeden einzelnen und jede einzelne Imass. Das Ritual hat sie unsterblich gemacht, Hohefaust. Die Lebenskraft eines ganzen Volkes wurde im Namen eines Heiligen Kriegs gefesselt, der dazu bestimmt war, jahrtausendelang
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