SdG 04 - Die eisige Zeit
über ihm durch die Dunkelheit, schossen hierhin und dorthin, während sie ihre Beute im Flug verzehrten. Im Süden flackerten die Lichter von Fahl wie ein sterbendes Herz. Weit im Westen strebten die gewaltigen Gipfel der Moranth-Berge in die Höhe. Ganz allmählich wurde Paran klar, dass er nicht nur die Arme um den Oberkörper geschlungen hatte, sondern sich an die Seiten griff, als kämpfe er darum, alles in seinem Innern zu halten. Er war kein Mann, der Tränen vergoss, und er fluchte auch nicht über all das, was ihn umgab. Von Geburt an war er zu einer sorgfältig aufgebauten, kühlen Distanz erzogen worden, und seine Ausbildung zum Soldaten hatte dies nur noch verstärkt. Wenn das wirklich gute Eigenschaften sind, dann hat sie mich gedemütigt. Tavore, du bist tatsächlich die Meisterin einer solchen Ausbildung. Oh liebste Felisin, was musst du jetzt für ein Leben führen? Keines in den schützenden Armen des Adels, so viel ist sicher.
Hinter ihm waren Schritte zu vernehmen.
Paran schloss die Augen. Bitte nicht noch mehr Neuigkeiten. Keine Enthüllungen mehr.
»Hauptmann.« Elster legte Paran eine Hand auf die Schulter.
»Eine ruhige Nacht«, bemerkte der Angesprochene.
»Wir haben Euch gesucht nach Eurer Unterredung mit Dujek, Paran. Silberfuchs hat die Suche über die Grenzen des Lagers ausgedehnt und Euch gefunden.« Elster zog die Hand wieder zurück. Dann stellte er sich neben Paran und betrachtete ebenfalls die Sterne.
»Wer ist Silberfuchs?«
»Ich glaube, es ist an Euch, das zu entscheiden«, sagte der bärtige Veteran knurrig.
Stirnrunzelnd wandte Paran sich zu Elster um. »Im Augenblick habe ich nicht die rechte Geduld für irgendwelche Rätsel, Kommandant.«
Elster nickte, ohne den Blick vom glitzernden Bogen des Nachthimmels abzuwenden. »Ihr werdet diese kleine Schwäche von mir einfach erdulden müssen, Hauptmann. Ich kann Euch Schritt für Schritt vorwärts führen, oder ich kann Euch einen einzigen kräftigen Stoß von hinten geben. Vielleicht kommt einmal der Zeitpunkt, da Ihr Euch an diesen Augenblick erinnern werdet und richtig einzuschätzen wisst, welche dieser beiden Möglichkeiten ich gewählt habe.«
Paran schluckte eine scharfe Erwiderung hinunter, sagte nichts.
»Sie warten am Fuß des Hügels auf uns«, fuhr Elster fort. »Ich habe versucht, den Kreis so klein wie irgend möglich zu halten. Nur Fäustel, der Schnelle Ben, die Mhybe und Silberfuchs. Die Mitglieder Eures Trupps sind hier, für den Fall, dass Ihr … Zweifel haben solltet. Sie haben heute Nacht beide ihre Gewirre erschöpft, um die Wahrhaftigkeit dessen, was geschehen ist, sicherzustellen – «
»Was«, schnappte Paran, »wollt Ihr mir eigentlich sagen?«
Elster schaute dem Hauptmann in die Augen. »Dieses Rhivi-Mädchen, Silberfuchs. Sie ist die wiedergeborene Flickenseel.«
Paran drehte sich langsam um; sein Blick wanderte zum Fuß des Hügelgrabs, wo vier Gestalten in der Dunkelheit warteten. Und dort stand das Rhivi-Mädchen; um sie herum war eine Sonnenaufgangs-Aura, ein Halbschatten der Macht, der das wildere Blut in Wallung brachte, das in seinen Adern kreiste.
Ja, das ist sie. Sie ist älter geworden, jetzt kann man schon erkennen, was sie einmal werden wird. Verdammt noch mal, Zauberin, du konntest die Dinge noch nie einfach halten. All das, was in seinem Innern gefangen war, schien durch seine Glieder davonzufließen und ihn schwach und plötzlich erschauernd zurückzulassen. Er starrte auf Silberfuchs hinunter. »Sie ist ein Kind.« Aber das habe ich doch gewusst, oder? Das habe ich schon eine ganze Weile gewusst, ich wollte nur einfach nicht darüber nachdenken … Und jetzt habe ich keine andere Wahl mehr.
Elster gab ein Brummen von sich. »Sie wächst sehr rasch. In ihr sind gierige, ungeduldige Kräfte am Werk, die zu mächtig sind, um im Körper eines Kindes beherbergt zu werden. Ihr werdet nicht lange warten müssen – «
»Bis der Schicklichkeit Genüge getan ist«, vollendete Paran trocken den Satz. Er bemerkte nicht, dass Elster zusammenzuckte. »Schön, wenn es so weit ist – doch was ist mit jetzt? Wer wird in mir nicht mindestens ein Ungeheuer sehen, wenn wir uns auch nur an den Händen halten? Was kann ich ihr sagen? Was kann ich ihr nur sagen?« Er wirbelte zu Elster herum. »Das ist unmöglich – sie ist ein Kindl«
»Und in ihr ist Flickenseel. Und Nachtfrost – «
»Nachtfrost! Beim Atem des Vermummten! Was ist geschehen – wie konnte das geschehen?«
»Das sind
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