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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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mir die Einzelheiten.«
    Dujek schüttelte den Kopf. »Nein, das ist ihr erspart geblieben, Hauptmann. Das versuche ich Euch gerade zu erklären.«
    »Und was hat Tavore verkauft, um das zu erreichen?«
    »Auch wenn sie die neue Mandata ist, hat Tavores Macht Grenzen. Sie durfte sich nicht dabei erwischen lassen, irgendjemanden besonders zu … bevorzugen – zumindest habe ich mich entschlossen, ihre Absichten dahingehend zu interpretieren …«
    Paran schloss die Augen. Mandata Tavore. Nun, Schwesterherz, du hast schon immer gewusst, was du wolltest. »Und was ist mit Felisin?«
    »Sie wurde in die Otataral-Minen geschickt, Hauptmann. Das ist keine lebenslängliche Strafe, dessen könnt Ihr sicher sein. Wenn sich die Gemüter in Unta wieder abgekühlt haben, wird sie ohne Zweifel still und heimlich zurückgeholt – «
    »Nur wenn Tavore zu dem Schluss kommen sollte, dass ihr guter Ruf dadurch keinen Schaden nehmen wird …«
    Dujeks Augen weiteten sich. »Ihr guter – «
    »Ich meine nicht innerhalb des Adels; die können sie gerne ein Ungeheuer nennen, wenn sie wollen – und ich bin mir sicher, dass sie es jetzt schon tun –, das kümmert sie nicht weiter. Hat sie noch nie gekümmert. Ich meine ihren guten Ruf in beruflicher Hinsicht, Hohefaust. In den Augen der Imperatrix und des Hofes. Nur das wird für Tavore von Bedeutung sein. Sonst nichts. So gesehen ist sie für ihre neue Aufgabe als Mandata bestens geeignet.« Parans Stimme war tonlos, seine Worte klangen gemessen und ruhig. »Wie auch immer … Wie Ihr schon gesagt habt, war sie gezwungen, das Beste aus der Situation zu machen, und was diese ganz besondere Situation betrifft … Ich bin schuld an all dem, was geschehen ist, Hohefaust. Die Säuberung – die Vergewaltigungen, die Morde, der Tod meiner Eltern und alles, was Felisin nun erleiden muss.«
    »Hauptmann–«
    »Schon gut, Hohefaust.« Paran lächelte. »Die Kinder meiner Eltern sind allesamt zu praktisch allem fähig. Wir können die Folgen überleben. Vielleicht fehlt uns ein normales Gewissen, vielleicht sind wir tatsächlich Ungeheuer. Ich danke Euch für die Neuigkeiten, Hohefaust. Wie sind die Verhandlungen gelaufen?« Paran tat sein Möglichstes, den stillen Kummer in Dujeks Augen zu ignorieren.
    »Sehr gut, Hauptmann«, flüsterte der alte Mann. »Ihr werdet in zwei Tagen aufbrechen, mit Ausnahme des Schnellen Ben, der später nachkommen wird. Eure Soldaten sind zweifellos bereit für – «
    »Ja, das sind sie.«
    »Sehr gut. Das ist alles, Hauptmann.«
    Die Dunkelheit brach herein, und es war, als senke sich ein riesiges Leichentuch lautlos auf die Umgebung herab. Paran stand auf dem gewaltigen Hügelgrab, sein Gesicht wurde von einem sanften Windhauch liebkost.
    Irgendwie hatte er es geschafft, das Lager zu verlassen, ohne Elster und den Brückenverbrennern in die Arme zu laufen. Nächte wie diese luden dazu ein, allein zu sein, und er fühlte sich auf diesem Massengrab mit all seinen widerhallenden Erinnerungen an Schmerz, Angst und Verzweiflung willkommen. Wie viele der Toten unter mir haben wohl nach ihrer Mutter gerufen, obwohl sie längst erwachsen waren?
    Der Tod und das Sterben machen uns wahrhaftig wieder zu Kindern, wenn wir am Ende ein letztes Mal jammern und schreien. Mehr als ein Philosoph hat behauptet, dass wir tief unter all den abstumpfenden Schichten, aus denen die Rüstung des Erwachsenseins besteht, immer Kinder bleiben.
    Rüstungen belasten, engen den Körper und die Seele darin ein. Aber sie schützen auch. Schläge werden abgeschwächt. Gefühle verlieren ihre Schärfe, so dass wir nichts weiter als blaue Flecken erleiden, und blaue Flecken verschwinden nach einiger Zeit von ganz allein.
    Als er den Kopf weit zurücklegte, protestierten seine Nacken- und Schultermuskeln heftig. Er starrte zum dunklen Himmel hinauf, blinzelte gegen die Schmerzen an, gegen die Anspannung seines Fleisches, das sich wie die Fesseln eines Gefangenen um seine Knochen schlang.
    Aber es gibt keine Flucht, oder? Erinnerungen und Enthüllungen sickern in uns hinein wie Gift, lassen sich niemals auslöschen. Er sog die kühle Luft tief in die Lunge, als versuche er, mit diesem Atemzug die Kälte der Sterne einzufangen, ihre gleichgültige Härte. Zu leiden ist kein Geschenk. Schau dir die Tiste Andii an.
    Nun, zumindest hat sich mein Bauch wieder beruhigt … er bereitet sich wohl auf die nächste Attacke vor, die mir wieder die Tränen in die Augen treiben wird …
    Fledermäuse flogen

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