SdG 04 - Die eisige Zeit
Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind, mein Junge. Ihr solltet sie lieber Fäustel und dem Schnellen Ben stellen – und Silberfuchs selbst.«
Paran trat unwillkürlich einen Schritt zurück. »Ich soll mit ihr sprechen? Nein. Das kann ich nicht – «
»Sie möchte es aber, Paran. Sie erwartet Euch.«
»Nein.« Seine Blicke wanderten erneut wie magisch angezogen zum Fuß des Hügels. »Ich kann Flickenseel erkennen, ja. Aber da ist noch mehr – nicht nur diese andere Frau, Nachtfrost … Sie ist jetzt eine Wechselgängerin, Elster. Die Kreatur, die ihr ihren Rhivi-Namen gegeben hat – die Macht, sich zu verwandeln …«
Der Kommandant kniff die Augen zusammen. »Woher wisst Ihr das, Hauptmann?«
»Ich weiß es einfach – «
»Das reicht mir nicht. Es ist dem Schnellen Ben nicht leicht gefallen, diese Dinge herauszufinden. Ihr hingegen wisst es einfach so. Woher, Paran?«
Der Hauptmann verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich habe gespürt, wie der Schnelle Ben sich bemüht hat, mich auszuforschen – er hat es immer dann versucht, wenn er gedacht hat, dass ich mit anderen Dingen beschäftigt war. Ich habe seinen misstrauischen Blick gesehen. Was hat er herausgefunden, Kommandant?«
»Oponn haben Euch verlassen, aber etwas anderes hat den Platz der Zwillinge eingenommen. Etwas Wildes. Wann immer Ihr in der Nähe seid, stellen sich seine Nackenhaare auf.«
»Seine Nackenhaare.« Paran lächelte. »Eine überaus treffende Wortwahl. Anomander Rake hat zwei Schattenhunde getötet – ich war dabei. Ich habe es gesehen. Ich habe das Blut eines sterbenden Hundes auf meiner Haut gespürt, Elster. Und etwas von diesem Blut kreist nun in meinen Adern.«
»Und was noch?« Die Stimme des Kommandanten war ausdruckslos.
»Muss es denn da noch etwas anderes geben, Kommandant?«
»Ja. Der Schnelle Ben hat ein paar Hinweise gefunden – aus Euch ist viel mehr geworden als nur ein Mann, in dessen Adern das Blut eines Aufgestiegenen fließt.« Elster zögerte kurz und fuhr dann fort: »Silberfuchs hat Euch einen Rhivi-Namen gegeben: Jen’isand Rul.«
»Jen’isand Rul.«
»Die Übersetzung lautet ›Der Wanderer im Innern des Schwertes^ Sie sagt, es bedeutet, dass Ihr etwas getan habt, das kein anderes Wesen jemals zuvor getan hat – weder ein sterbliches noch ein aufgestiegenes –, und dass diese Tatsache Euch von allen anderen unterscheidet. Ihr seid gezeichnet worden, Ganoes Paran, aber niemand, noch nicht einmal Silberfuchs, weiß, was das bedeutet. Erzählt mir, was geschehen ist.«
Paran zuckte die Schultern. »Rake hat sein schwarzes Schwert benutzt. Als er die Hunde getötet hat. Ich bin … ihnen in das Schwert … gefolgt. Die Geister der Hunde waren gefangen, waren angekettet, genau wie … wie all die anderen. Ich glaube, ich habe sie befreit, Kommandant. Ich bin mir nicht sicher – ich weiß nur, dass sie irgendwo anders hingegangen sind. Dass sie nicht länger angekettet waren.«
»Sind sie auf diese Welt zurückgekehrt?«
»Ich weiß es nicht. Jen’isand Rul … warum soll es irgendeine Bedeutung haben, dass ich in jenem Schwert herumgewandert bin?«
Elster grunzte. »Ihr fragt den Falschen, Hauptmann. Ich wiederhole nur das, was Silberfuchs gesagt hat. Ein Gedanke ist mir allerdings gerade noch gekommen.« Er trat näher an Paran heran. »Kein Wort zu den Tiste Andii – weder zu Korlat noch zu Anomander Rake. Nach allem, was man hört, ist der Sohn der Dunkelheit ein unberechenbarer Bastard. Und wenn die Legende von Dragnipur wahr ist, dann ist der Fluch dieses Schwerts, dass niemand dem albtraumhaften Gefängnis in seinem Innern entkommt – die Seelen der Opfer sind angekettet … für immer. Ihr habt diesem Fluch ein Schnippchen geschlagen, und vielleicht haben die Hunde das auch getan. Dadurch habt Ihr eine erschreckende Situation geschaffen, die es noch nie gegeben hat.«
Paran lächelte bitter in der Dunkelheit. »Ein Schnippchen geschlagen. Ja, ich habe vielen Dingen ein Schnippchen geschlagen, sogar dem Tod.« Aber nicht dem Schmerz. Nein, mich ihm zu entziehen gelingt mir noch immer nicht. »Ihr glaubt, Rake zieht eine Menge Trost aus dem Glauben an die … Endgültigkeit seines Schwerts.«
»Nun, das klingt ziemlich wahrscheinlich, Ganoes Paran, oder nicht?«
Der Hauptmann seufzte. »Stimmt.«
»Und jetzt lasst uns zu Silberfuchs hinuntergehen.«
»Nein.«
»Verdammt noch mal, Paran«, sagte Elster grollend. »Hier geht es um mehr als um ein romantisches Treffen
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