SdG 05 - Der Tag des Sehers
das genaue Gegenteil von Itkovian.
»Da kommt sie«, grollte das Todbringende Schwert.
»Sie reitet sehr dramatisch«, bemerkte Itkovian.
»Ja. Eine Wildheit, die sich, nach allem, was ich gehört habe, nicht auf den Sattel beschränkt.«
Itkovian warf Grantl einen Blick zu. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich hatte angenommen, Ihr und sie – «
»Ein paar Mal«, erwiderte Grantl. »Leider immer nur, wenn wir beide betrunken waren. Sie noch mehr als ich, wie ich zugeben muss. Normalerweise reden wir beide nicht darüber. Wir sind einmal zufällig auf das Thema gekommen, und daraus wurde dann ein Streit darüber, wem von uns beiden das Ganze peinlicher war – ach, Schätzchen! Was gibt es Neues?«
Sie zügelte abrupt ihr Pferd; die Hufe des Tieres wirbelten kleine Staubwolken auf. »Warum sollte ich euch das sagen, im Namen des Vermummten?«
»Und warum im Namen des Vermummten bist du dann zu uns zurückgekommen?«
Sie machte ein finsteres Gesicht. »Ich bin einfach nur an meinen Platz zurückgekehrt, du Esel – und was Euch angeht, Itkovian, das, was ich da sehe, sollte besser kein Lächeln sein. Wenn doch, müsste ich Euch umbringen.«
»Ganz gewiss nicht, meine Dame.«
»Freut mich, das zu hören.«
»Also?«, fragte Grantl.
»Also was?«
»Die Neuigkeiten, Schätzchen!«
»Ach, die. Wundervolle Neuigkeiten, natürlich, schließlich gibt’s doch in letzter Zeit gar keine anderen, oder? Angenehme Enthüllungen. Glückliche Zeiten – «
»Stonny!«
»Alte Freunde, Grantl! Rumpeln ungefähr eine Länge hinter uns über die Ebene. Ein großer Wagen, der zum Teil aus Knochen besteht, von Zugtieren gezogen, die nicht ganz das sind, was sie scheinen. Und die außerdem noch zwei flache Wagen ziehen, die mit Plunder beladen sind – habe ich Plunder gesagt? Oh, ich habe natürlich Beute gemeint, wozu auch mehr als ein von der Sonne geschwärzter Leichnam gehört. Und auf dem Kutschbock sitzt ein alter Mann, der eine räudige Katze auf dem Schoß hat. Na so was! Tatsächlich alte Freunde, was?«
Grantls Gesicht war ausdruckslos geworden, während sie sprach, seine Augen waren kalt. »Buke ist nicht dabei?«
»Nicht einmal sein Pferd. Entweder er ist geflohen, oder – «
Das Todbringende Schwert riss sein Pferd herum und grub ihm die Fersen in die Flanken.
Itkovian zögerte. Er warf Stonny einen Blick zu und war überrascht, als er sah, dass unverhohlenes Mitgefühl ihre Gesichtszüge weicher werden ließ. Ihre grünen Augen richteten sich auf ihn. »Wollt Ihr ihm nicht folgen?«, fragte sie leise.
Er nickte und klappte das Visier seines malazanischen Helms herunter. Eine leichte Gewichtsverlagerung und ein kurzes Streichen der Zügel über den Pferdehals ließen sein Reittier wenden.
Sein Pferd war von der Gelegenheit, mal wieder die Beine zu strecken, begeistert, und da es eine geringere Last trug, hatte es Itkovian an Grantls Seite gebracht, als noch zwei Meilen vor ihnen lagen. Das Pferd des Todbringenden Schwerts keuchte bereits.
»Mein Herr!«, rief Itkovian. »Langsamer, mein Herr! Sonst müssen wir auf dem Rückweg zu zweit auf einem Pferd reiten!«
Grantl zischte einen Fluch, und einen Augenblick lang sah es aus, als wolle er sein Pferd noch mehr antreiben, doch dann gab er nach, richtete sich im Sattel auf und lockerte die Zügel, während der Galopp des Tieres langsamer wurde.
»Und jetzt einen schnellen Trab, mein Herr«, riet Itkovian. »Nach weiteren hundert Schritten lassen wir die Tiere in Schritt fallen, damit Eure Stute den Hals strecken kann und wieder Luft bekommt.«
»Tut mir Leid, Itkovian«, sagte Grantl kurze Zeit später. »Meine Wut hat in letzter Zeit keine Glut mehr, aber das scheint sie nur noch tödlicher zu machen, fürchte ich.«
»Trake würde – «
»Nein, versucht es gar nicht erst, mein Freund. Ich habe es schon öfter gesagt. Mir ist es verdammt egal, was Trake will oder von mir erwartet, und Ihr und alle anderen solltet aufhören, mich so zu sehen. Todbringendes Schwert – ich hasse Titel. Ich konnte es noch nicht einmal leiden, Karawanenführer genannt zu werden, als ich noch einer war. Ich habe den Titel nur benutzt, um mehr Sold verlangen zu können.«
»Habt Ihr vor, diesen Reisenden etwas anzutun, mein Herr?«
»Ihr wisst, um wen es sich handelt?«
»Ich weiß es.«
»Ich hatte einen Freund …«
»Ja, den Mann namens Buke. Ich erinnere mich an ihn. Ein Mann, den der Kummer gebrochen hatte. Ich habe ihm einmal angeboten, seine Last zu tragen,
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