SdG 05 - Der Tag des Sehers
Flammen.
Er war gekommen, um sich den Mann mit eigenen Augen anzusehen, um ihn so gut wie möglich einzuschätzen und den außergewöhnlichen Fähigkeiten ein Gesicht zu verleihen.
Mittlerweile bedauerte Itkovian diesen Entschluss bereits und verfluchte seine impulsive Handlung leise, aber ziemlich ausführlich. Kämpft wie ein Eber? Bei den Göttern, nein, dieser Mann ist eine große Katze, wie sie in den Ebenen jagen. Er ist ziemlich massig, ja, doch das verschwindet hinter der tödlichen Geschmeidigkeit, mit der er sich bewegt. Fener möge uns alle retten – im Schatten dieses Mannes wandelt der Geist des Tigers des Sommers.
Itkovian kehrte zu seinem Pferd zurück und zog sich in den Sattel, griff nach den Zügeln. Während er sein Reittier herumzog, wandte er den Kopf und starrte in die aufgehende Sonne. Was da gerade geschehen ist … es hat ein Feuer in meinem Herzen entfacht. Heute, an unserem letzten Tag, bin ich diesem namenlosen Mann begegnet, diesem Diener von Treach, dem Tiger des Sommers … Treach steigt auf.
Und was ist mit Fener? Der brutale Eber, dessen wilde List meine Seele beherrscht? Was ist mit meinem Herrn?
Fener … steigt ab. Heute, an unserem letzten Tag.
Ein zischelndes Geschrei erhob sich in der Ferne, von allen Seiten. Die Tenescowri waren auf dem Marsch.
»Zwillingshauer, beschützt uns«, krächzte Itkovian, während er seinem Pferd die Fersen in die Flanken drückte. Das Tier stürmte los; Funken stoben, als seine Hufe auf die Pflastersteine hämmerten.
Das Gesicht grau vor Erschöpfung, war Buke unterwegs zum Anwesen der Nekromanten. Es war ein großes Bauwerk auf einem lang gestreckten, niedrigen Hügel, der zu regelmäßig aussah, um natürlichen Ursprungs zu sein, und von einer hohen Mauer mit Scheinwachtürmen an den Ecken umgeben war. Ein großes Eingangsportal – ein wenig zurückgesetzt und mit einer als Rampe gestalteten Zufahrt – ging auf den Kilsban-Weg hinaus. Das Tor selbst sah beinahe wie eine Miniaturausgabe des Tors zum Knecht aus, auch wenn man davon nicht mehr viel erkennen konnte.
Ein Feuerball hatte es getroffen und in Flammen aufgehen lassen. Der Brand hatte einige Zeit gewütet, die steinerne Einfassung geschwärzt und sie teilweise bersten lassen, doch irgendwie stand das Ding noch immer.
Der alte Karawanenwächter hinkte auf die Rampe zu, die zum Tor führte, und erschrak ziemlich, als plötzlich ein großer, hagerer, in eine schwarze Robe gekleideter Mann herausgestürmt kam. Stolpernd, fast schon hopsend wie ein großer Geier mit ebenholzschwarzen Schwingen, wirbelte der Mann herum und starrte Buke düster an. Sein Gesicht verzog sich. »Ich komme gleich nach Rath’Schattenthron! Kennst du mich nicht? Kennen die da mich denn nicht? Ich bin Murmel! Auch bekannt als der Ruchlose! Gefürchtet von allen feigen Bürgern Capustans! Ein Zauberer mit unvorstellbaren Kräften! Und doch haben die da …« Er schäumte vor Wut. »Ein Tritt in den Hintern, also wirklich! Ich werde mich rächen, das schwöre ich!«
»Hört zu, schlecht beratener Priester«, sagte Buke nicht unfreundlich. »Meine Arbeitgeber – «
»Sind arroganter Abschaum!«
»Das mag sein, aber sie gehören nicht zu der Sorte Menschen, die man verärgern sollte, mein Herr.«
»Verärgern? Wenn mein Herr von dieser – dieser Beleidigung hört, die seinem höchstgeschätzten Diener zugefügt worden ist, dann, oh, dann werden die Schatten fließen!« Mit einem letzten Schnauben stapfte der Priester die Straße entlang, wobei seine schwarze Robe auf dramatische Weise hinter ihm her wehte.
Buke blieb einige Herzschläge lang stehen und schaute dem Mann namens Murmel hinterher, bis er um die nächste Ecke verschwand.
Kampfgeräusche ertönten von allen Seiten, kamen jedoch nicht näher. Stunden zuvor – mitten in der Nacht, als Buke gerade den Leuten aus den Trutzen und den Mietskasernen des Daru-Viertels geholfen hatte, zu den von den Grauen Schwertern angelegten Sammelplätzen zu gelangen, von denen aus sie zu den verborgenen Tunneleingängen geführt werden würden – hatten die Pannionier es geschafft, bis zu der Straße durchzubrechen, die Buke jetzt gerade entlanggegangen war. Irgendwie hatte die bunt gemischte Schar der Verteidiger Capustans es geschafft, sie zurückzuschlagen. Leichen der Angreifer wie auch der Verteidiger lagen noch immer auf dem Kilsban-Weg.
Buke setzte sich erneut in Bewegung, schritt mit der festen Überzeugung, dass er das Anwesen von Bauchelain und
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