SdG 05 - Der Tag des Sehers
Feldzug sein.«
»Alles schön und gut, Kallor«, polterte Bruth, »aber jetzt können wir nicht mehr viel daran ändern.«
»Dieser Sturm wird vorbeigehen, Kriegsherr. Ihr könnt morgen unser Marschtempo beschleunigen – wir können es vielleicht einen Tag eher schaffen. Ich bin allerdings aus einem anderen Grund hier. Einem Grund, der praktischerweise etwas mit unserem Sinneswandel zu tun hat.«
»Spuck es kurz und schnell aus, Kallor, oder lass es ganz bleiben.«
»Ich werde zu Elster und Korlat reiten.«
»Und wozu? Um dich zu entschuldigen?«
Kallor zuckte die Schultern. »Wenn das etwas nützen würde. Genauer jedoch – Ihr scheint meine … Erfahrung zu vergessen. Auch wenn ich Euch allen auf die Nerven zu gehen scheine, bin ich schon durch dieses Land gegangen, als die T’lan Imass nichts weiter waren als Kinder. Ich habe Armeen kommandiert, die hunderttausend Köpfe gezählt haben. Ich habe das Feuer meines Zorns auf ganzen Kontinenten verbreitet, und ich habe allein auf großen Thronen gesessen. Versteht Ihr, was das bedeutet?«
»Ja. Dass du niemals lernst, Kallor.«
»Ganz eindeutig«, schnappte er, »begreift Ihr nicht. Ich kenne ein Schlachtfeld besser als jeder andere noch lebende Mann – Euch eingeschlossen.«
»Die Malazaner scheinen sich auf diesem Kontinent auch ohne deine Hilfe ganz gut geschlagen zu haben. Außerdem – was bringt dich auf die Idee, Elster oder Dujek würden deine Vorschläge beherzigen?«
»Es sind klar und vernünftig denkende Männer, Kriegsherr. Außerdem scheint mir, Ihr vergesst noch etwas anderes, was mich betrifft. Mit der Klinge in der Hand bin ich in hunderttausend Jahren nicht ein einziges Mal besiegt worden.«
»Kallor, du suchst dir deine Feinde sorgfältig aus. Hast du je mit Anomander Rake die Klinge gekreuzt? Oder mit Dassem Ultor? Mit Graumähne? Mit dem Ersten der Seguleh?«
Er brauchte nicht hinzuzufügen »mit mir?«. »Ich werde keinem von denen in Korall begegnen«, grollte Kallor. »Nur Domänensern, Urdomen, Septarchen – «
»Und vielleicht ein, zwei, drei K’Chain Che’Malle?«
»Ich glaube nicht, dass noch welche übrig sind, Kriegsherr.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich bin ein bisschen überrascht, Kallor. Warum bist du auf einmal so … eifrig?«
Der große Krieger zuckte die Schultern. »Ich möchte für meinen eigenen schlechten Ratschlag gerade stehen, das ist alles. Gibst du mir die Erlaubnis, mich zu Elster und Korlat zu begeben?«
Bruth musterte ihn eine Weile, dann seufzte er und winkte mit einer gepanzerten, schlammverspritzten Hand. »Geh.«
Kallor drehte sich um und verließ das Zelt. Draußen ging er zu seinem Pferd.
Ein paar unglückliche Große Raben, die unter einem Wagen hockten, waren die einzigen Zeugen, als er plötzlich zu lächeln begann.
Die Eisschollen, die an die felsige Küste stießen, waren alle von dunklem, fleckigem Wasser überflutet. Lady Missgunst sah Baaljagg und Garath nach, die durch das Wasser spritzten und auf das bewaldete Ufer zurannten. Seufzend öffnete sie ihr Gewirr weit genug, um trockenen Fußes hinüberzugelangen.
Sie hatte mehr als genug von stürmischer See, schwarzem Wasser, überschwemmten Eisbergen und gefrierendem Regen. Und sie erwog, einen angemessen wirksamen Fluch über Nerruse und Beru zu gestalten, über die Lady wegen ihrem Unvermögen, auf ihrem Wasser Ordnung zu gewährleisten, über den Lord wegen seinem offensichtlich dummen Zorn darüber, so gründlich ausgebeutet zu werden. Natürlich könnte solch ein Fluch das Pantheon noch weiter schwächen, und das würde nicht begrüßt werden.
Sie seufzte. »Also muss ich auf dieses Vergnügen verzichten … oder es zumindest eine Weile aufschieben. Nun gut.« Sie drehte sich um und sah Senu, Thurule und Mok das beinahe senkrechte Stück Eis hinunterklettern, das zu der Scholle hinabführte. Augenblicke später platschten die Seguleh auf das Ufer zu.
Lanas Tog war kurze Zeit vorher verschwunden, um unter den Bäumen ihnen direkt gegenüber wieder aufzutauchen.
Lady Missgunst trat von dem kantigen, reifüberzogenen Rand der Meckros-Straße herunter und ließ sich langsam auf die Brücke aus Eis zu sinken. Sie näherte sich der felsigen Küste dort, wo die anderen sich versammelt hatten.
»Endlich!«, sagte sie, als sie bei ihnen ankam, und trat nahe der Stelle, wo Lanas Tog stand, sachte auf durchnässtes Moos. Große Zedern reihten sich im Zwielicht des Hangs, der steil und rau hinter der T’lan Imass
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