SdG 05 - Der Tag des Sehers
dann würde das rechtzeitig genug sein, um im warmen Licht des Sonnenuntergangs Halt zu machen und eine warme Mahlzeit zuzubereiten, ehe sie weiterzogen.
Er trieb seine viertausend Soldaten zu sehr an. Sie waren die besten, die er je befehligt hatte, doch er verlangte Unmögliches von ihnen. Obwohl der Malazaner es verstehen konnte, hatte Caladan Bruths plötzlicher Vertrauensverlust Elster erschüttert, und zwar mehr, als er irgendjemandem – selbst Korlat – gegenüber zugeben würde. Ein schneller Marsch der vereinten Streitkräfte hätte dem Seher vielleicht zu denken gegeben – Legion um Legion ankommen zu sehen würde jedem feindlichen Kommandanten einen Anreiz geben, sich aus einem laufenden Gefecht mit Dujek zurückzuziehen. Erschöpft oder nicht, manchmal reichten Zahlen zur Einschüchterung aus. Die Reserven der Pannionier waren begrenzt:
Der Seher würde es nicht riskieren, auf einer Schlacht jenseits der Stadtmauer zu bestehen, wenn dies seine Hauptstreitmacht in Gefahr brachte.
Das Auftauchen von viertausend schlammbedeckten, taumelnden Soldaten würde wahrscheinlich ein Lächeln auf die Lippen des Sehers zaubern. Elster würde dafür sorgen müssen, dass seine geringen Kräfte zählten – die zwölf Tiste Andii, der Ilgres-Clan und Humbrall Taurs Elitekrieger der Weißgesichter würden sich höchstwahrscheinlich als entscheidend erweisen, obgleich die Unterstützung durch die Barghast zusammen weniger als zweitausend Mann betrug.
Wir fangen zu früh mit dem Endspurt an, noch viel zu weit weg von unserer Beute. In unserer gedankenlosen Hast haben wir fünfzigtausend Weißgesicht-Barghast weit hinter uns gelassen. Diese Entscheidung könnte tödlich sein …
Er fühlte sich älter, als es seinen Jahren entsprach, von Fehlern beladen, die aus einem durch Erschöpfung gelähmten Geist geboren worden waren. Elster gesellte sich wieder zur Vorhut.
Wasser rann an dem langen Kettenhemd hinunter, klebte langes graues Haar am Rücken und auf den breiten, aber hageren Schultern daran fest. Der stumpfgraue Helm leuchtete, reflektierte den zinnfarbenen Himmel mit milchiger Ungenauigkeit. Er stand reglos, mit gesenktem Kopf, am Grunde einer kleinen Senke, während sein Pferd ein Dutzend Schritte hinter ihm wartete.
Merkwürdig leblose Augen musterten die wassergetränkte Prärie durch das festgemachte, geschlitzte Visier. Schmale Augen, die nicht blinzelten, blickten auf den Strom aus schlammigem Wasser, den der stürmische Regen heranpeitschte, auf die kleinen Rinnsale, die größeren Bäche, ein unaufhörliches Fließen durch winzige Kanäle, über bloß liegende Steine, zwischen den verknoteten Wurzeln von Grasbüscheln hindurch.
Das Wasser nahm seinen Weg nach Süden.
Und hier, in dieser Senke, wo es merkwürdig gefärbten Schlamm in reißenden Strömen mit sich trug, floss es hügelaufwärts.
Von Staub … zu Schlamm. Also marschierst du schließlich doch mit uns. Nein, versteh mich, ich bin erfreut.
Kallor machte kehrt und ging zurück zu seinem Pferd.
Er ritt auf seiner eigenen Spur zurück, und während schnell die Dunkelheit hereinbrach, kam er schließlich wieder ins Lager. Außerhalb der Zeltreihen brannte kein Feuer, und das Licht der Laternen wurde durch die geflickten Zeltplanen gedämpft. Die schlammigen Durchgänge waren voller Großer Raben, die die Sintflut zusammengekauert und reglos über sich ergehen ließen.
Kallor zügelte sein Pferd vor Caladan Bruths Kommandozelt, stieg ab und ging hinein.
Vorreiter Hurlochel stand direkt hinter der Zeltklappe als Bruths Bote bereit, sollte es nötig werden. Der junge Mann war blass und schlief halb auf seinem Posten. Ohne weiter von ihm Notiz zu nehmen, schob Kallor das Visier hoch und ging an ihm vorbei.
Der Kriegsherr saß zusammengesunken auf einem Feldstuhl, was völlig untypisch für ihn war; sein Hammer lag quer auf seinen Oberschenkeln. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Schlammspritzer von seiner Rüstung oder den Stiefeln zu entfernen. Er hob den Kopf, und der Blick seiner merkwürdig tierähnlichen Augen glitt über Kallor hinweg, senkte sich dann wieder. »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er grollend.
»Da stimme ich Euch zu, Kriegsherr.«
Das ließ Bruth aufhorchen. »Du musst mich missverstanden – «
»Habe ich nicht. Wir hätten uns mit Elster zusammentun sollen. Die Auslöschung von Einarms Heerhaufen – egal, wie sehr mich das persönlich freuen würde – wird eine taktische Katastrophe für diesen
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