SdG 05 - Der Tag des Sehers
in der Stadt. Sie waren auf der anderen Seite der K’Chain Che’Malle – durch das Tor oder über die Mauer, haben Magier ausgelöscht. Also, wie haben sie …«
»Kriegsherr, da draußen sind malazanische Schiffe. Sie kommen näher.«
Bruth nickte langsam. »Das hat Artanthos mir mitgeteilt, bevor er sich mittels seines Gewirrs an Bord des Kommandoschiffs begeben hat. Dort befindet sich eine malazanische Delegation, ein Botschafter, ein Legat, ein Gouverneur – «
»Alle drei?«
»Nein, nur einer. Hat viele Titel, abhängig von den Verhandlungen, die folgen werden.«
Korlat holte tief Luft. Unterdrücke den Schmerz, den Verlust – nur noch ein kleines Weilchen. »Da Einarms Heer so schwer … angeschlagen … ist, werden die Malazaner kaum aus einer Position der Stärke heraus verhandeln können.«
Bruth blickte sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Korlat«, sagte er sanft, »was mich betrifft, haben die Malazaner alles verdient, worum sie bitten. Wenn sie Korall wollen, gehört es ihnen.«
Korlat seufzte. »Kriegsherr, die Enthüllung von Kurald Galain … ist eine dauerhafte Manifestation. Die Stadt liegt nun genauso im Gewirr der Tiste Andii wie in dieser Welt.«
»Hm, das bedeutet, dass die Verhandlungen zwischen Rake und den Malazanern stattzufinden haben. Ich habe nichts damit zu tun. Sag mir, wird euer Lord Anspruch auf Korall erheben? Mondbrut …«
Er brauchte nicht weiterzusprechen. In den tiefsten Räumen der Stadt im Innern des fliegenden Berges waren noch immer große Mengen Wasser gefangen, ein Gewicht, das nicht mehr lange auszuhalten war. Mondbrut starb. Die fliegende Festung würde aufgegeben werden müssen, das wusste sie. Ein Ort, der so lange unser Heim war. Werde ich trauern? Ich weiß es nicht.
»Ich habe noch nicht mit Anomander Rake gesprochen, Kriegsherr. Ich kann nicht vorhersagen, wie seine Entscheidung ausfallen wird.« Sie drehte sich um, ging auf das Tor zu.
Bruth rief hinter ihr her.
Noch nicht.
Sie ging weiter, unter dem Torbogen hindurch, ihre Augen auf die Hügelkuppe jenseits der zerschmetterten Leichen gerichtet, die den Todesstreifen bedeckten. Wo ich ihn finden werde. Alles, was übrig ist. Sein Gesicht, Gaben der Erinnerungen, jetzt erkaltet. Ich habe gesehen, wie das Leben aus seinen Augen geflohen ist. Den Augenblick des Todes, des Sterbens. Wie er sich zurückgezogen hat, weg, weg von diesen Augen, zurückgezogen, zurück und weg. Und mich verlassen, verlassen hat.
Ihre Schritte wurden langsamer, der Schmerz des Verlusts drohte sie zu überwältigen.
Liebe Mutter Dunkel, schaust du jetzt auf mich herab? Siehst du mich, dein Kind? Lächelst du, da du mich so gebrochen siehst? Ich habe schließlich deine alten, tödlichen Irrtümer wiederholt. Habe mein Herz hergegeben, bin den närrischen Träumen erlegen – der Tanz des Lichts, du hast dich nach jener Umarmung gesehnt, nicht wahr?
Und bist betrogen worden.
Du hast uns verlassen, Mutter … hast uns dem ewigen Schweigen überlassen.
Und doch …
Mutter, mit dieser Enthüllung spüre ich, dass du nahe bist. War es Kummer, der dich fortgeschickt hat, dich so weit von deinen Kindern fortgeschickt hat? Als wir dich auf unsere tödliche, jugendliche Weise – mit unserer entsetzlichen Gefühllosigkeit – verflucht haben. Deinem Schmerz eine weitere Schicht hinzugefügt haben,
Diese Schritte … du hast sie einst selbst getan.
Wie kannst du anders als lächeln?
Regentropfen prasselten gegen ihre Stirn, brannten schmerzhaft in der klaffenden Wunde. Sie blieb stehen, blickte auf – und sah Mondbrut direkt über ihrem Kopf … und die Festung weinte auf sie herab …
… und auf das Schlachtfeld voller Leichen, das sie umgab, und dahinter und zu ihrer Rechten, auf Tausende von knienden T’lan Imass. Die Toten, die Verlassenen, eine Flut sich vertiefender Farben, als würde im Regen die Szene, so sanft getränkt, noch körperlicher, noch wirklicher. Nicht länger das verblasste Tableau eines Tiste-Andii-Blicks. Das Leben, kurz gehalten, um jede Einzelheit zu schärfen, jede Farbe glänzen zu lassen, aus jedem Augenblick einen Schmerz zu machen.
Und dann konnte sie sich nicht mehr länger zurückhalten. Elster. Mein Liebster.
Augenblicke später gesellten sich ihre eigenen Tränen zu dem Salzwasser, das ihr übers Gesicht rann.
Im Dämmerlicht unter dem Torbogen stand Caladan Bruth und starrte hinaus, über die Steinbrücke hinweg, über den Todesstreifen, dorthin, wo Korlat auf halbem Weg zum
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